Gluecksstern mit Schwips
schmeckt auf einmal schal.
„Ganz , wie du wünschst“, sagt Jim.
Die Dunkelhaarige sieht uns nachdenklich hinterher.
Jim fasst mich am Ellbogen und geleitet mich zur Kasse.
Ich reiche der Frau die Karte mit meinen Bestellungen darauf. Die junge Frau, die laut Namensschild Mathilda heißt, nimmt sie freundlich entgegen. Sie schiebt die Vapianokarte in den Kassenschlitz. Auf dem Display erscheint … eine Null. Hä?
„Herzlichen Glückwunsch. Sie haben gewonnen!“ Sie strahlt mich an.
„Aha!“ Ich verstehe nur Bahnhof.
„Im Moment läuft ein Gewinnspiel, und Sie sind ausgewählt worden.“
Ein Gewinnspiel?
„Wirklich?“, frage ich ungläubig.
„Ja“, nickt die Blonde begeistert. „Alle Karten mit einer Schnapszahl auf der Rechnung gewinnen ein freies Essen und ...“ Sie bückt sich hinter dem Tresen. Einen Wimpernschlag später taucht ihr Kopf wieder auf. In der Hand hält sie eine Flasche Prosecco. „... die Flasche gibt es noch als Dankeschön für Ihren Besuch bei uns obendrauf.“
Ich sehe fragend erst die junge Frau und dann Jim an. So viel Glück an einem Tag, das gibt es doch gar nicht!? Jim lächelt sein zauberhaftes Lächeln , und ich bin einfach nur noch sprachlos. Die junge Frau überreicht mir die Flasche. „Viel Spaß damit und beehren Sie uns bald wieder.“ Der letzte Satz war an Jim gerichtet. Wahnsinn, was Jim für eine Wirkung auf Frauen hat – die umschwirren ihn ja geradezu wie die Motten das Licht!
„Vielen Dank!“ Wir gehen nach draußen.
„Jim?“, sage ich nachdenklich.
„Was ist , mein Abendstern ...?“
„Das ist wirklich der verrückteste Tag, an den ich mich erinnern kann. So viele Zufälle auf einmal. Das gibt es doch gar nicht!“
„Es gibt keine Zufälle im Leben – das ist Kismet“, lautet seine Antwort. Er nimmt mich am Arm. Sofort prickelt die Haut, dort, wo er mich berührt. Es fühlt sich angenehm an. Am liebsten würde ich mich in seinen Arm schmiegen, seinen Duft einsaugen und die Augen dabei schließen. Eine Gruppe kommt auf uns zu. Ist das nicht einer von Florians ehemaligen Studienkollegen? Hastig löse ich mich aus Jims Griff.
Jim sieht mich fragend an.
„Ich möchte nicht, dass die Leute denken, wir seien ein Paar“, gebe ich etwas zögerlich zu.
„Aber wir gehen doch nur spazieren.“
„Ja, schon. Trotzdem, wenn uns jemand zusammen sieht, der mich oder Florian kennt, würde sofort getuschelt werden.“
Jim hebt die Augenbraue, sagt aber nichts mehr. Die Gruppe läuft an uns vorbei, ohne uns Beachtung zu schenken. Den Rest des Weges schweigen wir. Jeder in seine Gedanken versunken.
Als ich die Haustür aufschließe, klingelt das Telefon im Wohnzimmer. Ich werfe die Schlüssel in die kleine, extra dafür vorgesehene Schale. Ich bin nämlich, was diese Dinge anbelangt, schrecklich vergesslich. Drückt man mir etwas in die Hand, besteht eine relativ große Chance, es nie wiederzusehen! Ich verlege einfach alles: Einkaufszettel, Schlüssel, Visitenkarten, Telefonnummern ... Ich möchte nicht wissen, wie viele Stunden ich schon damit verbracht habe, etwas zu suchen, was ich kurz zuvor verlegt hatte. Deshalb habe ich mir zu Gewohnheit gemacht, für alle wirklich wichtigen Dinge einen angestammten Platz zu haben.
Ich laufe ins Wohnzimmer. Ein Blick auf das Display genügt. Ich stöhne leise.
„Hallo, Mama!“
„Saraswati, mein kleines Täubchen“, zwitschert die Stimme meiner Mutter fröhlich durch die Leitung. Ich sehe meine Mutter förmlich vor mir : in einem ihrer bunten Maxikleider auf dem Schaukelstuhl sitzend, in der Hand ein Glas Wein und neben ihr eine glühende Räucherkerze.
Ich bin meiner Mutter, auch wenn ich es nur ungern zugebe, in gewisser Weise ähnlich. Zumindest äußerlich. Die gleichen blauen Augen, die gerade Nase und den üppig geschwungenen Mund. Sogar unsere Haare haben die gleiche Struktur – nämlich aalglatt und ohne Volumen. Ich bin auch klein und habe eine Neigung zu runden Hüften, was in unserer gemeinsamen Vorliebe für kalorienhaltige Essen wie: Chips, Schokoküsse, Eiscreme, Döner, Pommes und Würstchen (um nur ein paar davon zu nennen), begründet liegt. Seit meine Mutter beschlossen hat Vegetarierin zu werden, ist es bei ihr allerdings mit den Würstchen und dem Döner vorbei. In unserem Kleidergeschmack sind wir jedoch grundverschieden. Meine Mutter ist mit ihrer Kleidung irgendwo in den Siebzigern stehengeblieben. Meistens trägt sie irgendwelche unförmigen Sackkleider, wie man
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