Gluecksstern mit Schwips
entkommen.“
„Hoffentlich“, jammert Melanie. „Schließlich will ich in zwei Wochen heiraten.“
„Das wird schon“, beruhige ich sie. „Wir haben Susanne ja nicht geküsst. Ich glaube, der Einzige, der sich wirklich Sorgen machen sollte, ist Rainer“
Ich fange hysterisch an zu kichern. „Dem geht der Arsch bestimmt auf Grundeis.“ Schließlich hat er, wie wir ja alle wissen, ein Verhältnis mit seiner verehrten Marketingleiterin.
„Und was machst du jetzt?“
„Keine Ahnung. Ich glaube, ich mache mich auf den Heimweg. Florian ist in England , und ich habe sonst nichts zu erledigen. Ich wünschte, ich hätte das mit Susanne früher gewusst, dann hätte ich mit Jim die Stadtrundfahrt machen können.“
„Warum rufst du ihn nicht einfach an?“
„Weißt du, Jim ist ein echtes Landei. Der hat noch nicht einmal Handy.“
„So etwas gibt es? Ich dachte , die Spezies Mensch ohne Handy sei ausgestorben“, sagt Melanie verwundert.
„Alle , außer Jim.“
„Das muss ja ein schräger Vogel sein.“
„Das kannst du wohl sagen ...“ Aus dem Augenwinkel nehme ich einen Mann wahr, der schnurgerade auf uns zukommt. Ich recke meinen Hals, um den Mann besser sehen zu können. Das kann doch nicht sein ...
„Wenn man vom Teufel spricht“, rufe ich verblüfft. „Das glaube ich jetzt nicht!“
„Was?“ Melanie sieht mich verwundert an.
„Da ist Jim.“ Ich deute mit dem Finger auf ihn.
„Dieser wahnsinnig gut aussehende Mann mit dem absoluten Traumbody ist dein neuer Mitbewohner?“ Melanies Kinnlade sackt auf Kniehöhe.
„Allerdings. Und er ist schwu l … glaube ich.“
Melanies Kinnlade rutscht wieder nach oben.
„Hallo, Jim“, begrüße ich ihn. „Was treibt dich denn hierher?“
„Du hattest dir gewünscht , die Stadtrundfahrt mitzumachen, also bin ich hier, um dich abzuholen.“
„Wow. Das nenne ich mal eine Punktlandung. Ich meine, woher wusstest du ...“, stottere ich überrascht.
„Du hast mir doch erzählt, wo du arbeitest, also bin ich kurz vorbeigekommen“, erklärt Jim zufrieden.
„Aha!“
Melanie tritt mir auf den Fuß.
„Ach ja, Jim , das ist meine Kollegin und Freundin Melanie“, stelle ich sie vor.
Jim macht seine übliche Verbeugung. Mittlerweile finde ich es ja ganz süß. „Es ist mir eine Freude.“ Es ist wirklich erstaunlich zu beobachten, welche Wirkung Jim auf Frauen hat. Melanie errötet auf der Stelle.
„Die Freude ist ganz meinerseits“, giggelt Melanie errötend. „Tja, ich will dann mal.“ Sie zwinkert mir zu.
„Ich melde mich, sobald ich etwas höre“, rufe ich ihr noch hinterher. Melanie nickt und winkt.
„Hamburg ist wirklich eine wunderschöne Stadt. Mit den alten Häuser n und Wasserstraßen erinnert mich Hamburg ein kleines bisschen an Venedig“, bemerkt Jim, als wir die Speicherstadt hinter uns gelassen haben und in Richtung Innenstadt gehen.
Es ist schön , gemeinsam mit Jim meine Heimatstadt zu erkunden. Er lobt die moderne Architektur und bewundert die alten Häuser. Mit Begeisterung läuft er durch die Straßen und erfreut sich an Kleinigkeiten, die mir niemals im Leben aufgefallen wären. Dinge wie ein Wasserspeier oder die Schleusen bringen ihn in Verzückung. Überhaupt scheint er fasziniert von allem, was mit Wasser zu tun hat. Ich vermute, das liegt an seiner Herkunft. Wenn man wie Jim in der Wüste gelebt hat, dürfte Wasser etwas sehr Kostbares sein.
Florian ist in dieser Hinsicht völlig anders gestrickt. Letztes Jahr haben Florian und ich eine Städtereise nach London unternommen. Es war die erste und voraussichtlich letz te gemeinsame Reise dieser Art. Während ich den Tower und Buckingham Palace besuchen wollte, interessierte sich Florian mehr für die Museen. Naturkundemuseum, Kunstmuseum, Handelsmuseum ... Ich finde, ein Museum ist ja ganz nett – aber den ganzen Tag von einer Ausstellung zur nächsten zu rennen, ist doch reichlich langweilig. So kam es, dass wir den zweiten Tag des Städtetrips getrennt verbracht haben. Ich im Tower und Florian im Kunstmuseum. Ich fand es völlig faszinierend, durch die alten Gemäuer zu laufen, vor allem, da ich kurz zuvor den Film „Elisabeth“ mit der großartigen Kate Blanchet gesehen hatte. Allerdings finde ich es immer am schönsten, wenn man Erlebtes mit einem Menschen teilen kann. Alleine ist es nur halb so schön.
„Venedig?“ Ich bin ein wenig überrascht, dass Jim schon in Venedig gewesen sein will.
„Ja, ist schon ein paar Hundert Jahre her.“
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