Gluehend
einigen Tagen ist wieder Ruhe in die Diamonds-Villa eingekehrt und die sonnigen Julitage lassen beinahe meine Ängste verfliegen, jedoch noch nicht ganz: Mein besorgter Geliebter hat mir meine Lüge noch nicht ganz verziehen.
Oder besser gesagt, mein Versäumnis …
Gabriel hat mich nicht im Stich gelassen, er überhäuft mich mit kleinen Aufmerksamkeiten und liebt mich zärtlich, doch ich fühle, dass er meinen Fehltritt nicht vergessen hat. Ich bereue es zutiefst, dass ich es ihm nicht von Anfang an gestanden habe, dass ich den geheimnisvollen Unbekannten vor ihm geheim gehalten habe. Ich dachte, wenn ich die Augen davor verschließe, würde diese unsichtbare und beängstigende Bedrohung schließlich verschwinden. Ich hatte unrecht und bezahle nun teuer dafür, wenn ich den abwesenden Blick meines Geliebten kreuze und wenn ich fühle, wie er sich etwas mehr entfernt … Er hat seit meinem Geständnis kein einziges Mal „Ich liebe dich“ gesagt und die Angst, ihn zu verlieren, nagt an mir.
Marion hat einen neuen Sommerjob gefunden und ist praktisch nicht erreichbar; Tristan hasst mich wahrscheinlich; meine Eltern haben andere Sorgen, als sich meinen Liebeskummer anzuhören; meine Schwester Camille spricht nicht mehr mit mir, bereitet sich auf die Heimreise nach Paris vor und will ihr belastendes Geheimnis für sich behalten. Jedes Mal, wenn mir klar wird, dass sie von Silas schwanger ist, dass sie ein Diamonds-Kind unter ihrem Herzen trägt, krampft sich mein Herz zusammen. Auch das wohlwollende Lächeln von Barthélemy ist nicht mehr hier, um mir im Kampf gegen meine düsteren Gedanken zu helfen. Die Frischvermählten sind bereits in den Flitterwochen auf Tahiti. Was Virgile und Prudence betrifft, so gibt es nichts Neues. Sie meiden mich wie die Pest und wollen nur eines: dass ich so bald wie möglich verschwinde! Doch ich habe beschlossen, mich nicht über mein Schicksal zu beschweren, sondern diese letzten Tage des Müßiggangs zu genießen, bevor ich nach Frankreich zurückkehre und wieder zu arbeiten beginne. Bei Agence Models Prestige wird mir wohl nichts geschenkt werden. In der Model- und Modebranche gibt es mehr Konkurrenz, als mir lieb ist, doch seltsamerweise habe ich nach einem Aufenthalt in der Welt der Diamonds vor nichts und niemandem mehr Angst …
Plötzlich läutet mein Handy und reißt mich so aus meinen Gedanken.
Viva la vida
von Coldplay, wie ironisch …
„Barry konnte die unterdrückte Nummer, von der die SMS gesendet wurde, zurückverfolgen!“
„Barry?“
„John Barry, der Spezialist für Piraterie, den ich engagiert habe. Er konnte einen Namen und eine Adresse herausfinden: Es ist ein Cyberkrimineller, der sich Thor nennt. Ich fahre jetzt zu ihm. Wir sind kurz vor dem Ziel, Amande.“
„Bist du sicher, dass das nicht gefährlich ist? Kannst du nicht einfach die Polizei rufen?“
„Das möchte ich lieber selbst regeln. Du kannst dich von diesem verdammten geheimnisvollen Unbekannten verabschieden …“
„Was willst du ihm antun? Bitte sag mir, dass du ihn nicht … ich meine, …“
„Deine Fantasie geht mit dir durch, entsetzte Amande! Ich werde ihm eine Heidenangst einjagen und dann bringe ich ihn für lange Zeit hinter Gitter …“
„Aber er kann es nicht gewesen sein, er kennt uns nicht! Der geheimnisvolle Unbekannte ist ganz sicher jemand, der uns nahesteht, er weiß alles über uns!“
„Barry meint, der Typ wurde engagiert, um uns Angst zu machen, er tut alles, was der echte geheimnisvolle Unbekannte ihm sagt. Und dessen Namen bekomme ich sicher aus ihm heraus!“
„Gabriel, versprich mir, dass du dich nicht in Gefahr begibst!“
„Hab keine Angst, Amande. Bald sind wir frei …“
Mein ungeduldiger Geliebter hat aufgelegt, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Doch das macht nichts, er hat mir gesagt, was ich hören wollte, und meine Ängste sind zumindest teilweise verflogen. Tief im Inneren bete ich, dass ihm nichts passiert und dass wir schlussendlich alle Antworten bekommen, die wir suchen. Wer steckt dahinter? Wer hat diesen Mann engagiert, um uns zu zerstören?
Ich stehe von meinem Liegestuhl auf, beschließe, dass ich mich genug gesonnt habe, und springe wie eine Furie in den Infinity-Pool. Unter Wasser kann mich niemand hören, und ich schreie wie eine Wahnsinnige. Dieser dumme und unnötige Reflex tut mir gut. Ich kann endlich alle Ängste, die Wut und den Hass rauslassen, die mich schon so lange verfolgen. Ich habe keine Angst mehr, ich will
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