Glühende Leidenschaft
Fläche damals für sie gehabt hatte, als sie alle noch klein gewesen waren – man konnte sie sich als eine Wiese vorstellen, sie mit Spielzeugtieren bevölkern oder ein Haus aus Papier daraufstellen. Oder sie wurde zum Schlachtfeld für die Spielzeugsoldaten ihrer Brüder.
Sie schüttelte sich, stellte sich vor den Bettvorhängen auf einen Stuhl und holte oben von einer Ecke einen verstaubten Sack hervor, der so grün war wie die Vorhänge. Unbeholfen wegen des Gewichts, aber auch, weil das Ding darin bereits seine Magie entfaltete, kletterte sie wieder herunter und ließ sich dann auf den Stuhl sinken, um sich zu sammeln.
Es summte. So stellte sie es sich zumindest vor, wenngleich niemand außer ihr es hören konnte. Vielleicht war es auch mehr ein Vibrieren, wie wenn man in einer Kutsche saß, die mit großer Geschwindigkeit über ein Kopfsteinpflaster fuhr.
Was immer es war, sie mochte es jedenfalls nicht. Meg stellte den Sack rasch auf das Bett, um ihn nicht berühren zu müssen.
Oder zumindest noch nicht.
Aber sie musste es tun.
Entschlossen knüpfte sie den Sack auf und schälte die plumpe Steinstatuette heraus.
Meg hatte die Figur jahrelang nicht gesehen, und eigentlich entsetzte sie sich noch immer darüber. Sieben Jahre, genauer gesagt, denn sie war vierzehn gewesen, als ihre Mutter ihr die Sheila-na-Gig gezeigt und ihr erklärt hatte, wo sie sie aufbewahrte, weshalb sie sie versteckte und welche Kräfte dieses Ding besaß.
Sieben Jahre war es her, seit Meg entdeckt hatte, dass sie die schreckliche Gabe besaß, den Wunschstein benutzen zu können.
Nicht alle Frauen ihrer Familie verfügten über diese Gabe. Ihre Tante Maira hatte sie nicht gehabt und es Megs Mutter verübelt, dass sie sich geweigert hatte, von der Statue Wohlstand und reiche Freier für Maira zu erbitten. Offenbar hatte die Tante, als Walter Gillingham sich in Megs Mutter verliebte und sie für sich gewann, aber geglaubt, sie habe die Kraft des Steins für sich selbst genutzt.
Das war die Ursache für den Bruch in der Familie. Und das konnte sie Sir Arthur nicht sagen.
Aber wie konnte sie überhaupt jemandem von der Sheila erzählen – von diesem heidnischen Zauber einer noch dazu so obszönen Darstellung?
Es war eine uralte Steinfigurine, die eine nackte, grinsende Frau darstellte. Sie hatte die Beine gespreizt und die Hände dazwischengelegt, als wollte sie die ganze Welt in sich aufnehmen.
Ihrer Mutter zufolge hatte man solche Sheila-na-Gigs in die Wände irischer Kirchen mit eingemauert, doch das zu glauben war Meg ziemlich schwergefallen, auch wenn ihre ansonsten sehr fröhliche Mutter bei diesem Thema todernst geworden war. Sie hatte behauptet, in der Nähe so mancher Kirchentür sei noch heute eine Sheila zu finden, die die Menschen auf dem Weg zum Gebet an den christlichen Gott berührten, weil sie sich davon Glück erhofften.
Die meisten seien jedoch von Leuten, die heidnische Einflüsse zurückdrängen wollten, entfernt worden, oder auch einfach nur aus Anstand und Schicklichkeit. In der Regel hatte man sie zerstört; einige wenige hätten jedoch den Weg in private Hände gefunden. Megs Mutter hatte keine Ahnung, ob diese Statuen alle über Kräfte verfügten wie die ihre.
Diese Sheila-na-Gig jedenfalls war ein Wunschstein, und jenen Frauen in der Familie, die über die entsprechende Gabe verfügten, erfüllte sie ihre Anliegen.
Nicht umsonst allerdings. Niemals umsonst.
Ein erster Preis war das Unwohlsein, das dieser Prozess mit sich brachte – ein Übelkeit erregender Schmerz, der in der Regel eine Ohnmacht hervorrief. Das hielt jedoch nicht lange an, und es war auszuhalten. Der zweite Preis aber war, dass die Figur mit der Erfüllung eines Wunsches immer auch etwas Ungewolltes oder Unvorhersehbares verband – ein »dickes Ende« sozusagen.
Das Paradebeispiel war die Geschichte der jungen Frau, die schön sein wollte. Ihr Wunsch wurde erfüllt, doch fortan sah sie sich von ihren eifersüchtigen Freundinnen gemieden und von glühenden Verehrern verfolgt, und es war ihr nie mehr möglich, sich wohlzufühlen.
Eine andere Frau bat den Stein, ein bestimmter Mann, der bereits mit ihrer Freundin liiert war, möge ihr Ehemann werden. Der Wunsch ging in Erfüllung, als ihre Eltern die Verbindung arrangierten, doch der Mann hörte nie auf, die andere zu lieben, und schließlich brannten die beiden durch und brachten dadurch allen drei Familien großen Kummer.
Megs Mutter hatte ihr schon bald nach dem Beginn ihrer
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