Glut der Herzen - Roman
natürlichen Wellenlängen vornahm. Die mangelnde Harmonie, die in den Traumlicht-Bereichen deiner Aura geherrscht hat, ist nicht weiter erstaunlich, wenn ich es recht bedenke.«
Er warf ihr einen raschen, harten Blick zu. »Was zum Teufel soll das heißen?«
Sie atmete tief durch. »Griffin, bitte, hör mir zu. Ich glaube, dass einige deiner Strömungen vorübergehend gestört wurden, als sich vor einigen Wochen dein zweites Talent meldete, wie du es nennst. Eine logische Reaktion, wie mir scheint. Deine paranormalen Sinne hatten es plötzlich mit sehr viel mehr Energie aus dem Traumlicht-Bereich des Spektrums zu tun.«
»Eine Störung. So kann man die Auswirkungen des Fluches auch nennen.«
Sie führte ihre Theorie weiter aus. »Meiner Meinung nach hätten sich deine Strömungen nach einiger Zeit allmählich dem neuen Energielevel angepasst. Was ich heute machte, hat den Vorgang eigentlich nur beschleunigt.«
Er verzog den Mund. »Sodass ich fröhlich den Weg beschreiten und ein wahnsinniger Zerberus werden kann?«
»Diese Äußerung verdient keine Antwort.« Sie bedachte
ihn mit einem Blick höchster Missbilligung. »Ich habe dir bereits klargemacht, dass du meiner Meinung nach nicht Gefahr läufst, den Verstand zu verlieren.«
Er drehte dem glimmenden Feuer den Rücken zu und ging zum Fenster, um wortlos in die Nacht zu starren.
»Was geht dann mit mir vor, verdammt noch mal?«, fragte er nach einer Weile.
Nach einem Blick auf die leuchtenden Fußspuren auf dem Boden räusperte sie sich.
»Nun, da hätte ich eine Theorie«, fing sie an.
»Und wie lautet diese Theorie?«
»Aus dir wird kein Zerberus. Stattdessen hast du einfach das volle Potenzial deines eigenen natürlichen Talents erreicht.«
»Das Talent entwickelt sich in jungen Jahren bis Anfang zwanzig.« Er strich sich durch das Haar. »Ich bin sechsunddreißig.«
»Man könnte dich als Spätentwickler bezeichnen.«
Daraufhin drehte er sich um und kam mit drohendem Blick auf sie zu. »Das ist nicht der Moment, sich über meinen Zustand lustig zu machen, Adelaide Pyne.«
Sie straffte die Schultern. »Verzeihung. Aber ich bin überzeugt, dass es sich so verhält. Aus welchem Grund auch immer - möglich wäre es, dass sich dein Talent erst in deinem sechsunddreißigsten Jahr voll herausbildete, da dein Ahnherr der Strahlung der Lampe erst ausgesetzt war, als er dein jetziges Alter erreicht hatte. Dessen ungeachtet halte ich dich nicht für ein echtes Multitalent, sondern nur für eine stärkere Version dessen, was du immer schon warst.«
Er blieb knapp vor ihr stehen und blickte sie forschend an. »Ich war ein Schatten-Talent. Jetzt erzeuge ich Albträume.«
»Beide Eigenschaften stammen offensichtlich aus dem Traumlicht-Bereich des Spektrums«, beharrte sie.
»Das soll stimmen? Bist du eine Expertin?«
Sie ließ sich nicht einschüchtern. »Ich bin Traumlicht-Deuterin. Ich habe große Affinität für diese Art Energie. Dein Talent basiert auch auf Traumlicht. Bedenke doch: Jahrelang warst du imstande, dich in Schatten zu hüllen und fast unsichtbar zu machen. Jetzt kannst du diese Schatten auf andere Menschen projizieren. Wenn du es tust, werden die Sinne deiner Opfer von dem Schock praktisch überwältigt. Sie geraten in Panik, und die Leere in ihrem Bewusstsein füllt sich mit grässlichen Visionen und Albträumen.«
»Nenn es, wie du willst, ich bezweifle jedenfalls, dass die Arcane Society meine neue Fähigkeit als Erweiterung meiner ersten ansehen wird. Und was ist mit dem dritten Talent? Wann werde ich das entdecken?«
»Ich glaube nicht, dass es ein drittes Talent ist, sondern vielmehr die dritte Stufe des Talents«, erklärte sie. »Du wirst es vielleicht erst entdecken, wenn du in eine Situation gerätst, in der du es brauchst. Dann wird deine Intuition sich melden, und du wirst wissen, was zu tun ist.«
»Nichts für ungut, Adelaide, aber das ist nicht besonders tröstlich.«
»Nun, wenn es dir hilft, würde ich aufgrund meiner Lektüre von Nicholas’ Tagebuch behaupten, dass du die Lampe benötigen wirst, wenn es gilt, etwas zu erreichen,
das wesentlich mehr Kraft erfordert. Zusätzlich würdest du meine Hilfe dazu brauchen. Die Entdeckung der dritten Stufe des Talents wird keinem Zufall zu verdanken sein. Sie müsste von uns beiden geplant werden.«
»Aber was ist die dritte Stufe des Talents?«
»Ich weiß es nicht«, musste sie zugeben. »Du warst es, der den Code entschlüsselte, den dein Ahnherr in seinem Tagebuch
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