Glut der Herzen - Roman
er nahm einen Schluck Tee. »Rückblickend war es ein großer Fehler, dass ich Rowena einen Leibwächter gab, ein Fehler, der vorhersehbar war. In jenen eineinhalb Jahren verbrachte sie viel mehr Zeit mit ihm als mit mir. Es ist anzunehmen, dass sie allmählich Ben als ihren Beschützer ansah. Genau das war er ja auch. Und ich war es, der ihn mit dieser Aufgabe betraute.«
»Schluss jetzt, Griffin. Die Vergangenheit zu bereuen ist eine Sache, etwas ganz anderes aber ist es, die Verantwortung zu übernehmen. Dass Rowena sich in ihren Leibwächter verliebte, war nicht deine Schuld.«
Er lächelte andeutungsweise, doch es steckte kein Humor dahinter. »Du sprichst mich von aller Schuld frei?«
»Nicht ganz. So wie es sich anhört, warst du kein idealer Ehemann. Die Sorge um dein, hm, berufliches Fortkommen und um die Sicherheit deiner Familie war nicht hilfreich, um …« Sie sprach nicht weiter, als ein weiterer Teil des Puzzles seinen Platz fand. »Ach Gott, jetzt verstehe ich, was los war. Später hast du dich gefragt, ob die Besessenheit, Familie und Freunde zu schützen, schon ein Anzeichen dafür war, dass der Familienfluch der Winters’ auf dich übergegangen war.«
» Das erste Talent erfüllt das Bewusstsein mit steigender Rastlosigkeit, die weder mit endlosen Stunden im Labor gemildert werden kann noch mit starken Drinks oder Mohnextrakt«, zitierte er. »Genauso war es damals für mich. Natürlich verbrachte ich keine endlosen Stunden im Labor. Ich nutzte die Zeit, um ein Imperium zu schaffen. Aber am Ende kam es auf dasselbe hinaus. Und Rowena und das Neugeborene starben.«
»Damals fragtest du dich zum ersten Mal, ob es dir wirklich vorbestimmt war, ein Zerberus zu werden«, folgerte sie. »Das ließ dich glauben, dass der Fluch der eigentliche Grund für den Tod von Frau und Kind wäre.«
»Vielleicht.«
»Ich sollte diese Frage nicht stellen, kann aber nicht umhin. War das Kind von dir?«
»Nein. Rowena gestand es mir am Ende. Sie wusste, dass sie sterben musste, und wollte wohl ihr Gewissen erleichtern. Sie glaubte, ich würde den Verlust nicht betrauern, wenn ich wüsste, dass das Kind von einem anderen Mann war.«
»Natürlich hast du getrauert. Du hast den Verlust der beiden und den Verlust der Freundschaft mit Ben betrauert. Sie waren die einzige Familie, die du hattest. Mehr noch, es war die zweite Familie, die du verloren hast. Kein Wunder, dass du den Fluch so ernst nahmst.«
Und kein Wunder, dass er nun überzeugt war, eine Familie nicht schützen zu können.
Griffin trank einen Schluck Tee. »Findest du nicht auch, dass dieses Gespräch ziemlich bedrückend verläuft?«
»Ja, allerdings«, sagte sie leise. »Sollen wir das Thema wechseln?«
»Ja, eine vernünftige Idee.«
»Noch eines«, sagte sie. »Ich muss es wissen. Was geschah mit Ben?«
Er lächelte ein träges, eisiges Lächeln. »Nun, was glaubst du?«
Sie rümpfte die Nase. »Wenn du damit andeuten willst, dass du ihn als Vergeltung für seinen Verrat umgebracht hast, dann vergeudest du deine Zeit. Ich glaube das nicht.«
»Alle anderen aber glauben es.« Sein Raubtierlächeln verschwand und wich einer leicht angewiderten Miene. »Ich verliere wohl mein Image. Kein gutes Zeichen.«
»Griffin, ich weiß, dass du Ben nicht getötet hast, weil du viel zu sehr mit deinen Selbstvorwürfen beschäftigt warst«, sagte sie geduldig. »Was wurde aus deinem Freund?«
»Nun ja, uns beiden war sofort klar, dass unsere geschäftliche Beziehung, ganz zu schweigen von unserer Freundschaft, durch die Situation eine Änderung erfahren hatte«, sagte er. »Bei der Beerdigung fragte er mich, ob ich ihm die Kehle durchschneiden würde. Als ich verneinte, eröffnete er mir, dass er nach Australien gehen wollte. Wir waren uns einig, dass es eine blendende Idee wäre. In der Woche darauf stach er in See.«
»Das freut mich.«
»Ein ziemlich langweiliges Ende der Geschichte, meinst du nicht?«
»Du bist Verbrecherboss«, sage sie. »Du hast genug Hektik und Abenteuer in deinem Leben. Ein wenig Langeweile ab und zu tut ganz gut.«
»Und was ist mit der König-Arthur-Analogie?«
»Wenn ich mich recht erinnere, tötete Arthur Lancelot nicht. Stattdessen verbannte er ihn vom königlichen Hof, glaube ich. Wer weiß? Vielleicht ging Lancelot nach Australien.«
31. KAPITEL
Ihr Abendessen bestritten sie aus dem Proviant, den Mrs Trevelyan eingepackt hatte: Brot, Käse, eingelegtes Gemüse und harte Eier. Dazu tranken sie die Flasche Wein,
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