Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise
jetzt bist du fast einen Kopf größer als ich.«
»Du bist nicht zurückgekommen.«
Kev riss das Wort an sich. »Und du hast ihm nie gesagt, dass er einen Bruder hat.«
Noahs Lächeln wurde reumütig, als er die beiden ansah. »Ich konnte nichts tun. Um eurer eigenen Sicherheit willen.« Sein Blick schweifte in Kevs Richtung. »Uns wurde gesagt, dass du tot bist, Kev. Ich bin froh, dass wir uns geirrt haben. Wie hast du überlebt? Wo hast du gewohnt?«
Kev funkelte ihn an. »Das ist unwichtig. Rohan hat Jahre darauf verwendet, nach euch zu suchen. Antworten zu finden. Du erzählst ihm jetzt die Wahrheit, warum er von eurer Sippe weggeschickt wurde, und was es mit dieser verfluchten Tätowierung auf sich hat. Und lass ja nichts aus!«
Noah verschlug es bei Kevs aufbrausendem Gebaren regelrecht die Sprache. Als Anführer der Vitsa kam es nicht häufig vor, dass Noah Befehle von anderen entgegennahm.
»Er ist immer so«, erklärte Cam seinem Cousin. »Man gewöhnt sich daran.«
Noah griff unter die Schlafkoje, zog eine Holzschatulle hervor und durchwühlte ihren Inhalt.
»Was weißt du über unser irisches Blut?«, wollte Kev wissen. »Wie lautete der Name unseres Vaters?«
»Einiges ist mir nicht bekannt«, gestand Noah. Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte, holte es aus der Schachtel und sah Cam an. »Aber auf ihrem Sterbebett hat mir unsere Großmutter einiges anvertraut. Und sie hat mir das hier gegeben …«
Er hob ein angelaufenes Silbermesser hoch.
Mit einer blitzschnellen Bewegung packte Kev das Handgelenk seines Cousins und hielt es fest umschlossen. Win stieß einen erschrockenen Schrei aus, während Cam vergebens versuchte, sich auf die Ellbogen zu stützen.
Noah starrte Kev finster an. »Ganz ruhig, Cousin! Ich würde Camlo nie etwas antun.« Er öffnete die Hand. »Nimm es! Es gehört euch. Es stammt von eurem Vater. Sein Name war Brian Cole.«
Kev nahm das Messer und ließ langsam Noahs Handgelenk los. Argwöhnisch beäugte er den Gegenstand, ein Stiefelmesser mit einer zweischneidigen, etwa zehn Zentimeter langen Klinge. Der Griff war aus Silber, mit einer Gravur. Es sah alt und kostspielig aus. Aber am Erstaunlichsten war die Gravur an der flachen Seite der Klinge … eine irische Pooka .
Er zeigte es Cam, der für einen Moment die Luft anhielt.
»Ihr seid Cameron und Kevin Cole«, sagte Noah. »Das Pferd war das Zeichen eurer Familie … es kam in ihrem Wappen vor. Als wir euch voneinander getrennt haben, wurde beschlossen, euch beiden dieses Bild einzutätowieren. Nicht nur, damit man euch später wiedererkennen würde, sondern auch als Bitte an den zweiten Sohn Moshtos, der euch helfen und beschützen sollte.«
»Wer ist Moshto?«, fragte Win leise.
»Eine Roma-Gottheit«, sagte Kev, dessen Stimme in seinen eigenen Ohren fremd klang. »Der Gott aller guten Dinge.«
»Ich habe überall …«, begann Cam, der immer noch auf das Messer starrte und schließlich mit dem Kopf schüttelte, als koste ihn eine Erklärung zu viel Mühe.
Kev sprach für ihn. »Mein Bruder hat Experten und Forscher aufgesucht, damit sie die Wappen der irischen Familien durchkämmen, aber sie sind nie auf dieses Symbol gestoßen.«
»Ich glaube, dass die Coles die Pooka vor ungefähr dreihundert Jahren aus ihrem Wappen getilgt haben, als der englische König sich zum Oberhaupt der Kirche Irlands ernannt hat. Die Pooka war ein heidnisches Symbol. Wahrscheinlich fürchteten sie, es könne ihren Stand in der reformierten Kirche schwächen. Die Coles hatten jedoch immer eine Vorliebe für dieses Fabelwesen. Ich erinnere mich, dass euer Vater einen großen Silberring trug, in den die Pooka eingraviert war.«
Mit einem Seitenblick auf seinen Bruder stellte Kev fest, dass Cam sich genauso fühlte wie er: als habe er sein ganzes Leben in einem verschlossenen
Zimmer gehaust, und auf einmal war die Tür geöffnet worden.
»Euer Vater Brian«, fuhr Noah fort, »war der Sohn von Lord Cavan, einem irischen Adligen im Oberhaus des britischen Parlaments. Brian war sein einziger Erbe. Aber euer Vater hat einen unverzeihlichen Fehler begangen – er hat sich in ein Roma-Mädchen namens Sonya verliebt. Sie war wunderschön. Trotz der Einwände seiner und ihrer Familie hat er sie geheiratet. Sie lebten lange genug in trauter Zweisamkeit, damit Sonya zwei Söhne gebären konnte. Sie starb bei Cams Geburt.«
»Ich hatte immer angenommen, meine Mutter sei gestorben, als ich geboren wurde«, flüsterte Kev. »Ich
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