Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise
verstehe deine Sorge, dass du ihr womöglich wehtun könntest. Aber trotz allem kann ich nur schwer nachempfinden, dass du sie wirklich mit einem anderen Mann ziehen lassen willst.«
»Wenn es das Beste für sie ist.«
»Willst du etwa behaupten, dass Winnifred Hathaway jemanden wie Harrow verdient hat?«
»Besser er«, brachte Kev über die Lippen, »als einer wie ich.«
Obwohl das gesellschaftliche Leben in London noch in vollem Gange war, beschloss die Familie, nach Hampshire zu fahren. Einerseits musste Amelias Zustand berücksichtigt werden – eine gesunde Umgebung wäre ihr zuträglich -, andererseits wollten Win und Leo unbedingt das Ramsay-Anwesen sehen. Das einzige Problem bestand darin, dass Poppy und Beatrix dann keine Bälle und Abendgesellschaften mehr besuchen könnten. Doch die beiden behaupteten felsenfest, glücklich darüber zu sein, London den Rücken zuzukehren.
Diese Aussage von Beatrix zu hören, die immer noch großen Gefallen an Büchern, Tieren und dem Spielen in freier Natur fand, war nicht weiter erstaunlich. Aber Leo war überrascht, dass Poppy, die begierig darauf wartete, einen Ehemann zu finden, ohne Widerworte in die Abreise einwilligte.
»Ich habe die diesjährigen Kandidaten gesehen«, erklärte Poppy ihrem Bruder während einer Fahrt im offenen Landauer durch den Hyde Park mit grimmiger Miene. »Keiner von ihnen ist es wert, für ihn noch länger in der Stadt zu bleiben.«
Beatrix hatte es sich zusammen mit Dodger, dem Frettchen, auf dem gegenüberliegenden Polster gemütlich gemacht. Miss Marks kauerte in der Ecke, ihren bebrillten Blick fest auf die Landschaft gerichtet.
Nie zuvor hatte Leo eine ähnlich abstoßende Frau kennengelernt. Abweisend, blass, verknöchert, mit spitzen Ellbogen und einem ebenso steifen und spröden Charakter.
Offensichtlich hasste Catherine Marks Männer. Was ihr Leo nicht vorgeworfen hätte, denn immerhin war er sich des Makels seines eigenen Geschlechts nur zu deutlich bewusst. Allerdings schien sie Frauen genauso wenig zu mögen. Die einzigen Menschen, bei denen sie sich wohlfühlte, waren Poppy und Beatrix, die ihrerseits Miss Marks als außergewöhnlich intelligent, witzig und mit einem wundervollen Lächeln beschrieben hatten.
Es fiel Leo schwer sich vorzustellen, wie sich Miss Marks verkniffener Mund zu einem breiten Lächeln verzog. Er zweifelte sogar daran, dass sie Zähne besaß, da er sie noch nie gesehen hatte.
»Sie wird sich an der Aussicht stören«, hatte er sich am Morgen beschwert, als Poppy und Beatrix ihm erklärt hatten, dass sie die Gouvernante zu dem Ausflug mitbringen würden. »Ich werde die Landschaft nicht genießen können, wenn der Todesengel seine Flügel darüber ausbreitet.«
»Gib ihr nicht so schreckliche Namen, Leo«, hatte Beatrix protestiert. »Ich mag sie sehr gern. Und sie ist ausgesprochen nett, wenn du nicht dabei bist.«
»Wahrscheinlich ist sie früher von einem Mann sehr schlecht behandelt worden«, hatte Poppy mit
gedämpftem Ton gesagt. »Ich habe das Gerücht aufgeschnappt, dass Miss Marks nur Gouvernante geworden ist, weil sie in einen Skandal verwickelt war.«
Leos Neugierde war geweckt. »Welchen Skandal?«
Poppy hatte ihre Stimme zu einem leisen Flüstern gesenkt. »Man sagt, sie habe ihre Gunst leichtfertig an jemanden verschenkt .«
»Dabei sieht sie gar nicht aus wie eine Frau, die ihre Gunst leichtfertig verschenken würde«, hatte Beatrix in normaler Lautstärke gesagt.
»Sei still, Bea!«, hatte Poppy gerufen. »Ich will nicht, dass Miss Marks zufällig etwas mitbekommt. Sie könnte denken, wir klatschen hinter ihrem Rücken über sie.«
»Aber das tun wir doch. Außerdem kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie … das … mit jemandem getan hat. Sie ist einfach nicht die Art Frau.«
»Ich hingegen kann es mir gut vorstellen«, hatte Leo erwidert. »Normalerweise verschenken gerade diejenigen Damen ihre Gunst am ehesten, die sonst nicht viel zu bieten haben.«
»Das verstehe ich nicht«, hatte Beatrix gesagt.
»Er meint, dass unattraktive Frauen leichter zu verführen seien«, hatte Poppy gesagt und die Augen verdreht. »Dem würde ich jedoch nicht zustimmen. Und außerdem ist Miss Marks überhaupt nicht unattraktiv. Sie ist lediglich ein bisschen … streng.«
»Und dürr wie ein Hungerhaken«, hatte Leo gemurmelt.
Als die Kutsche am Marble Arch entlangfuhr und in die Park Lane einbog, waren Miss Marks Augen
fest auf die frühlingshafte Blumenlandschaft
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