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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Familie und deren Nachkommen gebracht hatte, bereitete ihm keinerlei G e nugtuung ... aber sollte er deshalb Schuld empfinden? Mitleid ja. Aber Schuld?
    Aber von all dem sprach er nichts laut aus.
    »Ich werde jetzt gehen, Mister Delany «, fuhr Marcus fort, als Andrejs Schweigen, das er möglicherweise falsch deutete, a n dauerte. »Nutzen Sie die Zeit, die ich Ihnen gewähre, um in sich zu gehen. Wenn ich zurückkomme, werde ich Ihnen einige Fragen stellen, und wenn Sie sie zu meiner Zufriedenheit b e antworten, dann verspreche ich Ihnen einen schnellen und gn ä digen Tod. Denken Sie darüber nach. Und wenn es etwas gibt, woran Sie glauben, dann sollten Sie vielleicht beten.«
    Er ging, bevor Andrej noch Gelegenheit zu einer Antwort gefunden hätte, schob die schwere Tür mit einiger Mühe hinter sich zu. Ein eiserner Riegel wurde vorgeschoben. Andrej blieb zurück, allein mit sich, seiner Verwirrung und dem heraufzi e henden Tag, der die Zelle mit flackerndem Rot erfüllte, als b e gänne die ganze Welt draußen in Blut zu ertrinken.
    Er musste wohl doch eingeschlafen sein. Seine Zelle war von flackerndem, düsterrotem Licht erfüllt, und die Luft schmeckte brandig und war so heiß, dass das Luftholen beinahe wehtat. Schreie drangen an sein Ohr. aufgeregte Geräusche und ein fernes Raunen und Rumoren, das aber genauso gut auch das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren sein konnte. Vielleicht hatte er nicht geschlafen, sondern war gestorben, und was er für das Erwachen aus einem von wirren Fieberfantasien und Schmerz heimgesuchten Albtraum hielt, das war sein alle r erster Blick in jene Dimension, in der er den Rest der Ewigkeit verbringen würde: die Hölle.
    Wenn es so war. dann war er nicht allein n - aber das hatte er auch nicht erwartet, an dem Ort, an dem sich seiner Meinung nach ohnehin der allergrößte Teil der Menschheit wiederfinden würde, wenn ihr Leben auf dieser Seite der Ewigkeit vorüber war Keines der drei Gesichter, die sich allmählich aus dem r o ten Dunst vor seinen Augen schälten, war ihm gänzlich unb e kannt. Zwei von ihnen gehörten zu den Männern, die ihn in der zurückliegenden Nacht gefoltert hatten, auch wenn sie beide eher wie Folteropfer aussahen als wie Foltermeisten Beide wirkten erschöpft und waren mit getrocknetem Blut und Tr ä nen, Speichel und Urin besudelt, und auf ihren Gesichtern lag ein Ausdruck von dumpfem Entsetzen.
    Bevor er das dritte Gesicht erkennen konnte, meldete sich sein alter Vertrauter zurück, der Schmerz. Seine Schultern fühlten sich wie ausgekugelt an und waren es vermutlich auch. Er bl u tete schon wieder aus mehreren neuen Wunden, und es war erst diese Erkenntnis, die ihn zu einer anderen, viel e r schreckenderen führte. Es war nicht das erste Mal, dass er e r wachte, und die Folter hatte schon lange wieder begonnen. Er hatte nicht g e schlafen, sondern war von einer Ohnmacht in die nächste geglitten, und es war nicht die nach Rauch schmecke n de Luft, die in seiner Kehle schmerzte. Sein Hals war wund vom Schreien, und er fühlte sich so schwach, dass ihm selbst der Versuch, sich zu erinnern, wie eine enorme körperliche A n strengung vorkam: Er war nicht einmal mehr sicher, ob das rote Licht, das über ihm durch das Fenster hereinströmte, das letzte Lodern des sterbenden Tages war oder schon das erste Glühen des näch s ten.
    »Ihre Verstocktheit wird Ihnen nichts nutzen, Mister Del a ny .« Es waren erst diese Worte und der Klang der Stimme, die dem dritten Schatten ein Gesicht verliehen. Irgendetwas drängte ihn zu antworten, ein lautloser Schrei, der nur wollte, dass es aufhörte. Aber er konnte nichts sagen, denn sein Mund war voller klumpig geronnenem Blut, an dem er immer wieder zu ersticken drohte. »Sie schweigen. Wem wollen Sie etwas b e weisen? Sich selbst, um sich zu zeigen, wie hart Sie doch sind?«
    »Sir ...«, meldete sich einer der Männer zu Wort. »Sollten wir nicht...«
    Marcus brachte ihn mit einer zornigen Geste zum Verstu m men und kam einen Schritt näher. »Nehmen Sie Vernunft an, Mister Delany . Sie schaden nur sich selbst. Die Wahl, ob Sie leben oder sterben, haben Sie nicht mehr Ihnen bleibt nur noch die Wahl, wie lange ihre Qual dauert, bevor Sie sterben. Wie lange wollen Sie leiden, Mister Delany ? Eine weitere Nacht? Noch einen Tag? Eine Woche? Das Ende wird dasselbe sein. Sie können nur noch entscheiden, wie lang der Weg dorthin ist. Wo versteckt sich Ihr Freund? Und wo finden wir diese du n kelhäutige

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