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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bereits wi e der zu schließen begann. Aber nicht annähernd so schnell, wie sie sollte. Selbst seinen fast übernatürlichen Kräften waren Grenzen gesetzt, denen er sich bedrohlich näherte. Vielleicht, dachte er, war das auch der eigentliche Grund, warum sie au f gehört hatten. Vielleicht ahnte Marcus, dass er sterben würde, wenn er auch nur noch eine kleine Weile so weitermachte, und seine vermeintliche Gnade war nichts anderes als eine weitere Gra u samkeit, um zu verhindern, dass sein schreckliches Werk zu schnell ein endgültiges Ende fand.
    »Würden Sie sie denn beantworten?« Marcus drehte sich abermals herum, kam aber diesmal nicht näher.
    »Wenn ich sie kennen würde ... vielleicht.«
    »Nein«, antwortete Marcus. »Noch nicht.« Er schüttelte den Kopf, um seine Worte zu bekräftigen. »Sie wären nicht der Mann, von dem ich gehört habe, wenn Sie so leicht zu brechen wären.«
    »Von mir gehört?« Andrej brachte den kreischenden Schmerz in seinem Arm mit einer letzten bewussten Anstre n gung zum Verstummen und sammelte irgendwie sogar noch genug Kraft in sich, um sich erneut an der Wand in die Höhe zu schieben. Die Ketten, die ihn hielten, klirrten leise, als sie sich entspan n ten. »Wann? Von wem?«
    Marcus zögerte. Andrej sah ihm an, dass er unschlüssig war, ob er diese Frage beantworten sollte. Dann nickte er leicht und zuckte bedauernd die Achseln. »Ich habe schon als Kind von Ihnen gehört, Mister Delany «, sagte er. »Ebenso wie mein V a ter, der Vater meines Vaters und dessen Vater und vor ihm wiederum seinen Unsere Familie kennt Sie. Wir beobachten Sie und Ihresgleichen schon lange.« Er lachte, sehr leise und sehr bitter. »Seltsam. Ich habe immer gewusst, dass dieser Moment kommen würde. Mein Leben lang habe ich darauf gewartet, die Aufgabe zu erfüllen, für die meine Familie schon seit Jahrhu n derten bestimmt ist - und jetzt, wo es so weit ist, weiß ich nicht genau, was ich davon halten soll. Sie ... Sie verwirren mich.«
    Zumindest das beruhte auf Gegenseitigkeit. Andrej verstand nicht. »Sollte ich Sie kennen?«, fragte er.
    »Mich?« Marcus schüttelte heftig den Kopf und lächelte, als hätte er etwas sehr Dummes gefragt. »Oh nein, Mister Delany . Sicher nicht. Ich bin nur ein kleinen vergänglicher Mensch. Wie könnte ein so mächtiges Wesen wie Sie auch nur wissen wo l len, dass es mich gibt?«
    »Sagen Sie mir wenigstens, warum Sie das tun«, murmelte A n drej schwach. »Das sind Sie mir schuldig, Inspektor.«
    »Schuldig?«, wiederholte Marcus scharf und in einem To n fall, in dem sich ehrliche Empörung mit Überraschung mischte. »Schuldig? Oh ja, Mister Delany , ich bin Ihnen etwas schuldig. Mehr, als Sie sich vorstellen können. Meine Familie schuldet Ihnen Leid. Wir schulden Ihnen acht Generationen Schmerz und Verzweiflung und Erniedrigung und Qual. Sie glauben, Sie hätten gelitten in der Nacht, die hinter Ihnen liegt?« Er schüttelte so heftig den Kopf, dass sein Haar flog. »Das war nichts, glauben Sie mir! Nichts gegen das, was Ihnen noch bevorsteht, und noch viel weniger gegen das, was meine Familie Ihretwegen erlitten hat. Ich maße mir nicht an, diese Schuld zurückzahlen zu können. Das kann niemand, so wenig, wie Sie wirklich dafür bezahlen könnten.«
    Acht Generationen? Andrej versuchte, durch die betäube n den Nebel zwischen seinen Schläfen ein Echo auf diese Worte zu hören. Das war eine lange Zeit, fast so lange, wie er lebte. Er bemühte sich, in Marcus hineinzulauschen, und spürte auch diesmal nichts, als wäre hinter seinen mitleidslosen Augen ta t sächlich nur Leere, aber er war sicher, dass Marcus kein U n sterblicher wie Abu Dun oder er war Ebenso sicher, wie er es die unzähligen Male zuvor gewesen war, als er dasselbe getan hatte. »Ich verstehe nicht, wovon Sie reden«, murmelte er.
    »Sie erinnern sich tatsächlich nicht?« Andrej wusste nicht, ob es tatsächlich eine Frage war oder eher etwas wie eine fa s sungslose Feststellung. Marcus sah ihn weiter unverwandt an, zornig, aber auch durch und durch verblüfft - und vielleicht s o gar ein bisschen enttäuscht.
    »Wie könnte ich das?«, murmelte Andrej. »Ich war noch nie in England.« Jedenfalls nicht zu Marcus' Lebzeiten.
    »Und doch sind Sie die Nemesis meiner Familie, Mister D e lany «, antwortete Markus leise. »Sie sind der Dämon, der sie dreihundert Jahre lang getrieben hat, der das Blut aus unserer Familie gesogen und unsere Herzen vergiftet hat. Sie erinnern sich nicht an

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