Glut und Asche
gestorben, verzehrt von einem Ung e heuer, das so unendlich viel älter war als er, vielleicht so alt wie die Menschheit selbst. Und was von ihm übrig geblieben war das hätte die Schlacht um Wien niemals überleben können, U n sterblichkeit hin oder her.
»Du unterschätzt mich schon wieder, Andrej«, sagte Fred e ric, der abermals seine Gedanken gelesen hatte, mit der Stimme eines Kindes und dem gnadenlosen Blick einer Kreatur, die keine Gefühle kannte außer Hass und Neid. »Was ist schon ein Körper? Bloß ein Behältnis, das nur dazu gut ist, uns Schme r zen und Leid zu bereiten. Hast du denn gar nichts verstanden in all der Zeit?«
Da war etwas in Frederics Stimme, das ihm klarmachte, dass der vermeintliche Junge die Wahrheit sagte - trotz aller Bosheit und unverhohlener Freude, die er daran empfand, ihn zu quälen. Hinter dem Geheimnis seiner und Abu Duns Existenz war noch etwas anderes, ein weiteres, viel, viel größeres Geheimnis, das uralt und mächtig war und das er vielleicht gar nicht ergründen wollte, spürte er doch, dass möglicherweise allein das Wissen um seine Bedeutung schon ausreichte, um ihn zu ve r derben.
Frederic, der auch jetzt wieder seine Gedanken las, schüttelte den Kopf und machte ein spöttisches Geräusch. »Andrej, A n drej, Andrej«, sagte er, noch immer mit der Stimme eines Ki n des, die aber allein durch Betonung und begleitende Gestik zur puren Verhöhnung dessen wurde, was sie nachzuahmen suchte. »Du hättest einer der Mächtigsten von allen werden können. Aber du hast dir stets selbst im Weg gestanden. Jetzt ist es zu spät, fürchte ich.«
»Ich weiß jetzt, wer du bist«, erwiderte Andrej. »Frederic ist tot. Du bist Dracul. Du warst es von Anfang an. Frederic ...«
»... wäre niemals so grausam und böse gewesen?«, unte r brach ihn der Junge, indem er wortwörtlich das aussprach, was Andrej dachte. Er lachte böse. »Wer weiß? Vielleicht hast du recht, Unsterblicher. Vielleicht aber auch nicht. Es ist lange her; aber ich hätte doch erwartet, dass du dich besser an mich eri n nerst.« Er legte den Kopf auf die Seite und sah Andrej nun mit dem Blick eines verschlagenen, heimtückischen Kindes an. »Aber in Wahrheit erinnerst du dich, nicht wahr? Du hast deine eigenen Zweifel nie vergessen. Tief in dir hast du immer g e spürt, dass du dich in dem Jungen getäuscht hast, mein Freund. Er war nie so gut und so schwach, wie du dir einzureden ve r sucht hast. Glaub mir; ich kenne mich mit eurer Art aus. Vie l leicht gibt es keine Menschen, die einfach nur gut sind, aber ganz gewiss gibt es welche, die böse sind. Zerstören und Töten macht Spaß, A n drej. Aber das muss ich dir wohl nicht erklären. Wie viele Menschen hast du getötet? Wie viele Leben hast du beendet, mit eigener Hand?«
»Keine, die es nicht verdient gehabt hätten«, krächzte A n drej. Selbst das Reden bereitete ihm jetzt Mühe. In der Luft lag ein scharfer Brandgeruch, der immer durchdringender und e r stickender wurde, und anders als unmittelbar nach seinem E r wachen spürte er nun, dass es nicht allein der Gestank seiner ve r brannten Kleider und seines verschmorten Fleisches war.
»Oh ja, das hatte ich ja ganz vergessen«, antwortete Frederic spöttisch. »Du bist ja nicht nur Henker, sondern auch selbst e r nannter Richter; nicht war? Versteh mich nicht falsch - das soll kein Vorwurf sein. Ich wäre wohl der Letzte, der das Recht hätte, dir irgendetwas vorzuwerfen. Wenn nicht ich, wer dann sollte wissen, was für ein erhebendes Gefühl es ist, Gott zu spielen.«
»Du bist nicht Frederic«, wiederholte Andrej. Er konnte es nicht sein. Er durfte es nicht sein. Der Junge, an den er sich e r innerte, war nicht so böse gewesen.
»Vielleicht nicht mehr ganz«, sagte Frederic. »Ich bin wohl von beidem etwas und ein wenig von den vielen, die ich seither genommen habe. Du hast dich stets geweigert, die Transform a tion vorzunehmen, nicht wahr? Du hast dich damit begnügt, ihnen ihre Kraft zu rauben, ihre Lebenszeit der deinen hinzuz u fügen, aber das wahre Geschenk, die Essenz ihres Seins, hast du stets verschmäht. Und du glaubst tatsächlich, das würde dich zu e t was Besserem machen?« Er schüttelte mitleidig den Kopf. »Du irrst dich, Unsterblichen Nicht das Fleisch ist es, das ewig lebt. Sieh mich an.« Er deutete mit beiden Händen an seinem schmalen, kindlichen Körper hinab.
»Glaubst du, dieser Körper wäre wichtig oder gut? Glaubst du wirklich, ich hätte mir einen Körper wie
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