Glut und Asche
kommen. Wartet hier auf mich. Ich bin In längstens einer halben Stunde zurück.«
»Aber...« Abu Dun brach sofort ab, als Ihm klarwurde, dass er In ein leeres Zimmer sprach. Meruhe war bereits ve r schwunden.
»Wir sollten die halbe Stunde nutzen, um von hier zu ve r schwinden«, grollte Abu Dun. »Solange wir es noch können, heißt das.«
Andrej war geneigt, ihm zuzustimmen, doch stattdessen wandte er sich mit übertrieben fragendem Gesicht zu ihm um. »Warum bist du so feindselig?«
»Feindselig?« Abu Dun lachte humorlos. »Vielleicht will ich ja einfach nur am Leben bleiben.«
»Wie meinst du das?«
»Ich traue ihr nicht«, antwortete Abu Dun geradeheraus. »Ist dir nichts aufgefallen, als wir oben auf dem Dach waren?«
»Dass sie mir das Leben gerettet hat, meinst du?«
Abu Duns Miene verdüsterte sich. »Was ist los mit dir, H e xenmeister?«, fragte er »Hast du in Marcus' Folterkammer mehr abbekommen, als ich weiß, oder liebst du sie immer noch? Liebe soll ja angeblich blind machen ... aber so sehr?«
Andrej hatte weder Lust, über das eine nachzudenken, noch das andere zu beantworten. Er schwieg.
»Sie hat dich vor Frederic gerettet«, fuhr Abu Dun fort. »Oder dem, was angeblich Frederic ist.«
»Er ist es«, sagte Andrej ruhig.
»Meinetwegen.« Abu Dun machte eine wegwerfende Geste. »Aber er ist auch ein zwölfjähriger Bengel, und wir beide wi s sen, wozu sie fähig ist, wenn sie wirklich will. Glaubst du, dass wir beide gemeinsam es mit ihr aufnehmen könnten?«
»Nein«, antwortete Andrej ehrlich. »Worauf willst du hi n aus?«
»Sie hat ihn entkommen lassen, Andrej«, behauptete Abu Dun. »Darauf will ich hinaus. Und jetzt sag nicht, das wäre dir nicht selbst aufgefallen. Er ist ihr entwischt, weil sie ihn en t kommen lassen wollte, so einfach ist das.«
»Warum sollte sie so etwas tun?«
Abu Dun schürzte trotzig die Lippen und schnaubte. »Vie l leicht sollten wir sie genau das fragen, wenn sie zurückkommt. Falls sie zurückkommt, heißt das.«
Meruhe kam zurück, und das lange, bevor die von ihr selbst gesetzte Frist verstrichen war Sie wirkte besorgt und beinahe noch abgekämpfter als zuvor, aber Andrej verzichtete woh l weislich darauf, sie darauf anzusprechen. Außerdem hätte er gar keine Gelegenheit dazu gefunden, denn sie griff noch im He r einkommen unter ihren Mantel und zog einen länglichen, in schwarzes Tuch eingeschlagenen Gegenstand heraus, den sie neben ihm auf den Tisch legte. Andrej blinzelte das Paket einen Moment lang an, hob die Hand und ließ sie wieder sinken.
»Nimm es«, sagte Meruhe auffordernd - vielleicht auch ein bisschen ungeduldig. »Es gehört dir.«
Andrej streckte zum zweiten Mal die Hand aus und schlug ein Ende des Tuches zurück, Abu Duns stumme Frage ignori e rend. »Aber nur für alle Fälle.«
Andrej interessierte nichts mehr als die Antwort auf dieselbe Frage, die Abu Dun gerade gestellt hatte, aber er mutmaßte, dass auch er dieselbe Antwort bekommen würde wie er, nä m lich keine.
»Das stimmt«, sagte Meruhe. »Wozu also Zeit verschwe n den?«
Ja, manchmal war es verwirrend ein Gespräch zu führen, wenn der andere die Antwort vor einem selbst wusste.
»Aber auch sehr praktisch«, fügte Meruhe lächelnd hinzu. »Jedenfalls für die eine Seite ... aber wenn es dir ein Trost ist, Andrej: Es ist nicht immer eine reine Freude, die Gedanken a n derer zu lesen. Nicht alle sind so edelmütig und gut wie du, Andrej.«
Abu Dun runzelte die Stirn, und Meruhe schenkte Andrej noch ein abschließendes, zuckersüßes Lächeln und fügte mit verschwörerisch gesenkter Stimme und einem treuherzigen Augenaufschlag hinzu: »Ach, das! Keine Sorge, ich bin viel Schlimmeres gewohnt.«
»Aber ich habe doch gar nichts ...«, begann Andrej, und Meruhe fuhr vollkommen unbeeindruckt und mit einem L ä cheln fort: »Und es bleibt auch ganz unter uns. Versprochen.«
Aus Abu Duns Stirnrunzeln wurde ein schadenfrohes Gri e nen, und Andrej beschloss, ihn mit Nichtachtung zu strafen, schloss die Hand um den Schwertgriff und schob die Waffe unter den Gürtel, während er aufstand. Wenigstens versuchte er es, aber das Leder war in der Hitze brüchig geworden und ze r riss unter dem enormen Gewicht der Waffe. Andrej fing das Schwert mit der rechten Hand auf - eine Sekunde später tat er mit der anderen Hand dasselbe mit seiner Hose, die Gunjir fo l gen wollte. Abu Duns Grinsen wurde so breit, dass es fast seine Ohrläp p chen erreichte.
»Ein einziges
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