Glut und Asche
aus u n terschiedlichen Gründen, aber der eine so erstaunt wie der a n dere, hinterher Als Andrej schließlich etwas sagen wollte, hob der Nubier fast erschrocken die Hand und gebot ihm zu schweigen. »Nicht jetzt«, flüsterte er. »Du weißt, was für scharfe Ohren sie hat.«
Nicht einmal dessen war Andrej sich noch sicher. In all den Jahren, die er Meruhe nun kannte, war ihm stets klar gewesen, dass sie und die anderen ihrer Art Abu Dun und ihm ebenso himmelhoch überlegen waren wie der Nubier und er normalen Sterblichen. Aber vielleicht stimmte das nicht. Vielleicht war sie noch ungleich mächtiger, als er bisher angenommen hatte. Vielleicht waren sie und die anderen ihrer Art ja tatsächlich Götter.
Aber wenn, dann machte sie das nicht unbedingt zu mor a lisch weiterentwickelten Wesen.
Immerhin hörte er auf Abu Duns Warnung, schon, weil ihm nicht nach Reden zumute war Die wenigen Schritte ins Haus hinein und die Treppe herauf hatten ihn so erschöpft, als wäre er meilenweit gerannt, so schnell er nur konnte, und wieder musste er mit aller Macht gegen eine körperlose Schwärze a n kämpfen, die warm seine Gedanken zu umschlingen suchte, auch wenn es diesmal nicht die Umarmung der Ohnmacht war, sondern nur Erschöpfung und Müdigkeit. Die Kraft, die Meruhe ihm gegeben hatte, war endgültig verbraucht, und das bisschen Energie, das noch in ihm selbst gewesen war, hatte das Toben des Vampyrs verzehrt. Er fühlte sich leer.
Abu Dun stampfte mit schweren Schritten zum Fenster, um genau wie Meruhe zuvor auf die Straße hinabzublicken - alle r dings hatte er dabei so Aufstellung genommen, dass er umg e kehrt von der Straße herauf nicht zu sehen war Andrej sah ihm eine geraume Weile nachdenklich und schweigend zu (ohne dass er hinterher genau hätte sagen können, worüber er eigen t lich nachgedacht hatte) und wandte dann müde den Kopf, als ein gedämpftes Stöhnen in sein Bewusstsein drang.
Es war Marcus, der jedoch nicht aufwachte, sondern sich nur im Schlaf herumwarf und dabei wimmernde Laute ausstieß. Meruhes letzte Worte kamen ihm noch einmal in den Sinn, und er empfand eine sonderbare Mischung zwischen Verwunderung und Schrecken. Ihre Mahnung wäre nicht nötig gewesen. Er empfand keinen Groll mehr Was dieser Mann ihm angetan ha t te, das war ein Akt unvorstellbarer Grausamkeit gewesen und gehörte sicher mit zu dem Schlimmsten, was ihm jemals wide r fahren war Aber er wollte keine Rache. Was immer er diesem Mann auch antun mochte, würde nichts ungeschehen machen. Und wahrscheinlich würde er sich hinterher nur noch schlechter fühlen.
»Sie spricht mit jemandem.«
Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass es Abu Duns Stimme war, die im Flüsterton vom Fenster herüberwehte, und noch einen weiteren und deutlich längeren, ehe ihm der Sinn seiner Worte klar wurde.
»Meruhe?«
»Ich kann nicht erkennen, mit wem sie spricht«, fuhr Abu Dun fort. Nach einer Pause und in ebenso erstauntem wie b e unruhigtem Ton fügte er hinzu: »Und ich kann ihn auch nicht fü h len.«
Also war es einer von ihnen, dachte Andrej. Warum war Abu Dun eigentlich überrascht? In dieser Stadt tobte ein Krieg der Götter Meruhe war ganz gewiss nicht leichtsinnig genug, das Schlachtfeld ohne Rückendeckung zu betreten.
Er stand auf, ging jedoch nicht zu Abu Dun, sondern ließ sich neben Marcus in die Hocke sinken und griff nach de s sen Hand. Er erschrak. Sie fühlte sich heiß und trocken an. Er hatte Fieber und unter dem Fieber wühlte noch etwas anderes, Schlimmeres.
Andrej sah in Marcus' Gesicht und erschrak noch heftigen Der Inspektor war schwer verbrannt. Oben auf dem Dach war das noch nicht so gewesen, da war er sich sicher und er hatte auch die eisige Hand des Todes noch nicht gespürt, die sich jetzt nach ihm ausstreckte.
»Was ist mit ihm passiert?«, fragte er.
Wortlos warf Abu Dun ihm einen sonderbaren Blick zu, der Andrej dazu bewog, den Nubier noch einmal genauer zu b e trachten. Abu Duns Kleider waren angesengt und verkohlt wie seine eigenen, und auch auf seinen Händen und in seinem G e sicht gewahrte er frische Brandwunden, die noch nicht ganz verheilt waren.
Andrej sah an sich herab und stellte fest, dass er einen keinen Deut besseren Anblick bot. Was von seinen Kleidern übrig war das hing in verkohlten Fetzen, unter denen rot entzündetes Fleisch sichtbar war.
»Was ist passiert?«, fragte er noch einmal.
»Es war der einzige Weg nach draußen«, sagte Abu Dun, was streng genommen keine Antwort
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