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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stehen, um sie, soweit sie sie überhaupt wahrnahmen, pa s sieren zu lassen. Andrej sah in mehr als einem Augenpaar, dass dessen Blicke einfach durch ihn hindurchzugehen schienen. Was immer Meruhes rätselhafte Kräfte auch taten, es zeigte Wirkung, und es schützte sie besser, als es jede Waffe und jede Eskorte gekonnt hätte. Aber sie machten ihm auch in zune h mendem Maße Angst.
    Schmerzlich war er sich der Tatsache bewusst, dass auch dieser Gedanke Meruhe nicht verborgen bleiben konnte, so w e nig wie das, was Abu Dun vorhin zu ihm gesagt und was er d a rauf erwidert hatte, auch im Stillen und nur für sich. Sie ließ sich nichts von alledem anmerken. Die Blicke, mit denen sie ihn von Zeit zu Zeit maß, blieben freundlich und besorgt, nun aber auf eine andere, fast mütterliche Art, und auch das war etwas, das ihm mehr und mehr zu schaffen machte. Es hatte eine Zeit g e geben, da hatte er geglaubt, diese geheimnisvolle Frau zu li e ben. Auch jetzt noch empfand er viel mehr als nur reine Sy m pathie für sie. Aber - und das nicht erst seit dem einen Gespräch gerade mit Abu Dun und dem nagenden Zweifel, den dessen Worte in ihm gesät hatten - er war nicht mehr sicher, was er von seinen eigenen Gefühlen halten sollte. Meruhe war mehr, viel mehr als das, wofür er sie bisher gehalten hatte, und zum ersten Mal wurde ihm ein anderer, profaner Unterschied zwischen i h nen klar: ihr Alter. Diese Frau war Tausende von Jahren alt. Wie konnte er in ihren Augen mehr sein als ein Kind, allenfalls ein Spielzeug, mit dem sie sich eine Weile amüsiert hatte, dessen sie aber irgendwann zwangsläufig übe r drüssig werden musste?
    Meruhe hielt plötzlich mitten im Schritt inne, warf ihm einen sonderbaren Blick über die Schulter hinweg zu und ging dann weiter, und Andrej wurde klar, dass er auch diesen Gedanken ebenso gut laut hätte aussprechen können. Diese Einsicht tat weh, zumal er zu spüren glaubte, wie sehr er sie verletzen musste. Andrej hatte sich bisher stets für einen sehr ehrlichen Menschen gehalten und war es auch, und doch begriff er plöt z lich, dass es einen Unterschied gab, nämlich eine Ehrlichkeit der Gedanken und eine Ehrlichkeit der Worte, und dass dieser Unterschied größer war, als er bisher auch nur geahnt hatte. So wenig, wie es gut war, alles auszusprechen, war es gut, alles zu denken. Aber was sollte er dagegen tun?
    »Du beginnst allmählich zu begreifen, Andrej«, sagte Meruhe, scheinbar unvermittelt und ohne auch nur zu ihm z u rückzus e hen. Andrej schwieg, doch Abu Dun runzelte wieder die Stirn und betrachtete erst sie, dann Andrej und dann wieder sie, lä n ger diesmal, beließ es aber bei einem Achselzucken und einem sehr nachdenklichen Gesichtsausdruck.
    »Nein, Abu Dun«, sagte Meruhe. »Das ist es ganz gewiss nicht.«
    »Hör auf damit«, grollte Abu Dun.
    »Womit?«, fragte sie lächelnd.
    Abu Dun setzte zu einer nun vermutlich deutlich schärferen Antwort an, doch Andrej war mit zwei schnellen Schritten zw i schen ihm und der Nubierin und machte eine besänftigende Geste, bevor er sich direkt an Meruhe wandte. »Tust du mir einen großen Gefallen?«
    »Ich höre auf, seine Gedanken zu lesen«, versprach sie, l ä chelte schmerzlich und seufzte ganz leise. »Und auch deine - auch wenn es nicht so einfach ist, wie du es dir vielleicht vo r stellst.«
    »Ach?«, fragte Abu Dun, dem es offensichtlich nicht schwergefallen war, den lautlosen Teil ihrer einseitigen Unte r haltung zu erraten. »Ist es so schwer, etwas nicht zu tun?«
    Meruhe machte einen großen Schritt, um über den Kadaver eines verbrannten Hundes hlnwegzutreten, der zu Lebzelten die Größe eines kleinen Kalbes gehabt haben musste. »Ungefähr so schwer, wie nicht hinzuhören, wenn du mit mir sprichst«, sagte sie spöttisch. »Oder über mich.«
    »Dann sollte es dir leichtfallen«, erwiderte der Nubier spitz. »Ich meine: Du bist doch eine Frau, oder?«
    »Und wir Frauen hören Immer zu, wenn man mit uns spricht«, gab sie todernst zurück. »Vor allem, wenn man über uns spricht. Nur geben wir es nicht Immerzu.«
    Abu Dun zog zwar eine Grimasse, entschied sich aber, nichts mehr darauf zu erwidern und stattdessen In die Richtung zu zeigen, In die sie gingen. Die Straße war so dunkel, dass selbst Ihre scharfen Augen oft genug nur noch Schemen wahrnahmen und sie Immer langsamer gehen mussten, um nicht gegen ein Hindernis zu stoßen, das ohne Warnung aus der Schwärze au f tauchte, oder über ein Trümmerstück zu

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