Glut und Asche
gebrannt. An den Wänden hatte es einmal vermutlich kostbare Seidentapeten gegeben, die vol l kommen zu Asche zerfallen waren oder sich wie getrocknete Apfelschalen von den Wänden schälten, und die Fliesen, über die sie schritten, waren geborsten und knackten noch immer vor Hitze. Er spürte, dass in diesem Haus nichts Lebendiges mehr war, und konnte nur hoffen, dass es den Bewohnern des G e bäudes gelungen war, es zu verlassen, bevor es den Flammen anheimgefallen war.
Meruhe, deren Augen noch schärfer zu sein schienen als die seinen, eilte mit raschen Schritten voraus, wich auch jetzt wi e der mit schon fast unheimlichem Geschick jedem Hindernis aus und steuerte eine Treppe an, deren hölzerne Konstruktion ebenso den Flammen zum Opfer gefallen war wie alles andere hier drinnen. Trotzdem zögerte sie nicht, sie zu betreten und hinaufzueilen. Die verbrannten Stufen ächzten unter ihrem G e wicht, und Ruß, Asche und Staub markierten ihren Weg wie eine Folge winziger, lautloser Explosionen, doch die Treppe hielt. Andrej sagte sich, dass sie schon wissen würde, was sie tat, und folgte ihn Abu Duns Vertrauen in die Instinkte der n u bischen Kriegerin war anscheinend nicht ganz so groß, denn er zögerte, die Treppe mit seinem enormen Gewicht zu belasten, und folgte ihnen erst, als sie beide die obere Etage erreicht ha t ten. Meruhe verzog kurz und abfällig die Lippen, sagte aber nichts, sondern geduldete sich, bis der Nubier zu ihnen aufg e schlossen hatte. Dann machte sie eine Kopfbewegung in die vollkommene Schwärze hinter sich. Nicht einmal mehr seine Augen ve r mochten jetzt noch etwas zu erkennen.
»Dort hinein«, erklärte sie überflüssig erweise. »Hier sind wir in Sicherheit.«
»Wenigstens, solange der Himmel nicht zu brennen b e ginnt«, maulte Abu Dun. Es war nur eine seiner üblichen spi t zen Bemerkungen, doch Meruhe, die schon begonnen hatte, sich umzudrehen, hielt inne und durchbohrte ihn mit einem Blick, der Andrej einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ.
»Das könnte eher der Fall sein, als du auch nur ahnst, mein Freund«, sagte sie. Andrej hätte schwören können, dass Abu Duns Gesicht unter der nachtschwarzen Farbe seiner Haut blass wurde.
Meruhe eilte auch jetzt wieder voraus. Andrej hörte ein Scheppern und Poltern, dann entstand vor ihnen ein Rechteck aus blasse r, von dunkelrot flackernden Blitzen durchzuckter Helligkeit, als sie eine Tür eintrat. Der Raum dahinter war e r staunlicherweise nahezu unversehrt, was seinen Bewohnern aber auch keinen Schutz gewährt hätte, hätten sie den Fehler begangen zu bleiben, denn die Luft war selbst jetzt noch so heiß, dass es fast unmöglich war, sie zu atmen. Meruhe lud den bewuss t losen Inspektor auf einer schmalen Chaiselongue ab, die unmi t telbar neben der Tür stand, eilte mit zwei, drei raschen Schritten zum Fenster und schlug es mit ihrem Schwert ein. Gedämpfte Schreie, das Prasseln ferner Flammen und ein noch durchdri n genderer Brandgeruch wehten zu ihnen herein, aber auch kü h lere Luft, die er unter normalen Umständen vermutlich als u n angenehm stickig und heiß empfunden hätte.
»Setz dich!« befahl Meruhe und deutete auf eine zweite Couch, die unmittelbar neben einem erloschenen Kamin stand. Darüber hing ein goldgerahmtes Bild, das wohl ein Frauenpor t rät zeigte. Durch eine Laune des Zufalls, die ihm unheimlich vorkam, ha t ten die Flammen sowohl den Rahmen als auch den Großteil des Gemäldes unversehrt gelassen, das Gesicht der Frau aber zur Gänze ausgelöscht.
Meruhe wartete, bis er - widerwillig - gehorcht hatte, ging noch einmal zum Fenster und blieb etliche Augenblicke reglos davor stehen, um die Straße unter sich mit Blicken abzusuchen. Ihr Gesicht war ernst, als sie zurückkam, aber nicht mehr so alarmiert wie zuvor. »Für den Moment sollten wir hier in S i cherheit sein«, sagte sie. »Aber ich möchte trotzdem noch ei n mal nach unten gehen und nach dem Rechten sehen. Kann ich dich für eine kurze Zeit allein lassen?«
Die Frage fand Andrej lächerlich, sie kam aber auch so u n erwartet, dass er nur nickte und einen überraschten Blick mit Abu Dun tauschte.
»Gut«, sagte Meruhe. »Ich bin gleich zurück. Wenn er au f wacht ...« Sie deutete auf Marcus. »... dann sorgt dafür, dass er nicht wegläuft. Und lass ihn am Leben ... auch wenn es dir wahrscheinlich schwerfällt.«
Sie ging, noch bevor Andrej Gelegenheit zu einer Antwort gefunden hatte. Abu Dun und er blickten ihr, vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher