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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Geste. »Stimmt schon«, antwortete er. »Aber wir haben auch gesehen, wie diese Frau g e kämpft hat. Ich glaube, niemand hätte sie besiegen können.«
    Doch, dachte Andrej: Ich. Ich hätte es gemusst. Laut sagte er: »Ja, sie war... außergewöhnlich.«
    »Aber du warst auch nicht schlecht«, antwortete Fred. »Ich erkenne es, wenn einer kämpfen kann. Und du kannst es ve r dammt gut.«
    »Offensichtlich nicht gut genug«, seufzte Andrej. »Sonst hätte ich mich besser gehalten. Vielen Dank übrigens auch für eure Hilfe. Warst du das?«
    »Was?«
    »Der sie angesprungen hat.«
    Fred nickte und zog eine schmerzerfüllte Grimasse. »Hat mir nur nicht viel gebracht«, sagte er »Außer ein paar hübschen blauen Flecken.«
    »Ich wäre jetzt tot, wenn du es nicht versucht hättest«, sagte Andrej ernst.
    »Vielleicht«, erwiderte Fred achselzuckend. »Bist du aber nicht.«
    Die Tür ging auf, und zwei Jungen kamen herein. Einer trug Andrejs zusammengelegte Kleider über dem Arm, der andere brachte einen zerbeulten Metallteller, auf dem irgendetwas lag, von dem Andrej lieber nicht genau wissen wollte, was es war Das Stück Brot daneben nährte in ihm jedoch den unangene h men Verdacht, dass es sich wohl um das Frühstück handelte, von dem Fred gesprochen hatte.
    Er wollte nicht unhöflich sein. Immerhin hatten diese Kinder ihm das Leben gerettet (oder glaubten es wenigstens), und so nahm er den Teller nicht nur mit einem dankbaren Lächeln entgegen, sondern zwang sich auch, seinen undefinierbaren I n halt mit stoischem Gesicht hinunterzuwürgen. Immerhin musste er keine Angst haben, sich zu vergiften.
    »Danke«, sagte er sogar, nachdem er die kümmerliche Mahlzeit bis auf den letzten Krümel vertilgt und den leeren Teller vor sich auf den Boden gestellt hatte. Um ein Haar hätte er eine spöttische Bemerkung gemacht, aber sein schlechtes Gewissen hielt ihn davon ab. Die Gesic h ter, die ihm entgegen starrten, waren nicht nur verdreckt, so n dern vor allem hungrig, und das, was auch immer er gerade gegessen hatte, stellte wahrscheinlich einen Gutteil der Nahrung dar, die sie an einem ganzen Tag zur Verfügung hatten. »Da n ke«, sagte er nur.
    »Wird dir wahrscheinlich nicht geschmeckt haben«, sagte Fred. »Aber es ist das Einzige, was wir haben.«
    »Ich habe schon Schlimmeres gegessen«, antwortete Andrej, was der Wahrheit entsprach ... wenn auch nicht oft.
    »Dann kannst du dich ja jetzt anziehen«, sagte Fred. »Du musst frieren.«
    Das stimmte. Dennoch sah er sich nur demonstrativ in der Runde um, und dann seufzte Fred übertrieben theatralisch.
    »Vielleicht solltet ihr rausgehen, Leute«, sagte er. »Vor a l lem die Damen unter uns. Unser Gast scheint ein bisschen g e nant zu sein.«
    Tatsächlich standen die meisten auf und gingen. Nur drei oder vier Jungen blieben, aber auch das nur so lange, bis Fred den wenigen Standhaften einen eisigen Blick zuwarf, woraufhin auch sie sich trollten.
    »Danke«, sagte Andrej. Er rührte sich nicht. »Du willst also allein mit mir reden ... worüber?«
    Fred antwortete nicht, sondern sah ihn weiter durchdringend und auf eine Art an, die Andrej Unbehagen bereitete. In Freds Augen war etwas, das nicht in den Augen eines Kindes sein sollte.
    Als ihm klar wurde, dass er keine direkte Antwort beko m men würde, stand er auf, schlang seinen improvisierten Kilt enger um die Hüften und trat an eines der großen - und glasl o sen - Fenster heran. Die Stimmen und Arbeitsgeräusche, die er vorher schon dumpf vernommen hatte, wurden lauter, aber trotzdem vermochte er sie nicht einzuordnen. Auch ein Blick aus dem Fenster brachte ihm keine Klarheit. Licht brach sich auftrage schwappendem Wasser, und er spürte hektische Akt i vität und angespannte Nervosität. Seine übermenschlich scha r fen Sinne schienen sich plötzlich gegen ihn zu wenden, als s ä he, höre und röche er auf einmal tausend Dinge, die seine Au f nahmefähigkeit schlicht überstiegen.
    Dann begriff er Die scharfen Sinne eines Vampyrs, die ihm seit unzähligen Jahren zur Verfügung standen, ließen ihn plöt z lich im Stich. Es war kein Übermaß an Information, das seine Sinne überrannte. Er sah die Welt zum ersten Mal seit unzähl i gen Jahren wieder so, wie ein ganz normaler sterblicher Mensch sie gesehen hätte. Er sah nicht zu viel, sondern zu wenig. Da waren Schatten und Umrisse, die keine Bedeutung zu haben schienen, weil ihnen ganze Aspekte ihres Seins fehlten, Gerä u sche, die in seinen Ohren zu dünn

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