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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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antwortete Andrej. »Aber sie war so schwarz wie du und auch beinahe so groß, wenn auch ...« Er legte den Kopf schräg, um Abu Dun abschätzend anz u sehen. »... ihre Figur vielleicht ein wenig vorteilhafter war.«
    Erstaunlicherweise ergriff Abu Dun die Gelegenheit nicht beim Schopf, mit einer spitzen Bemerkung zu antworten, so n dern machte nur ein nachdenkliches Gesicht. »Und die and e re?«
    »Ich weiß nicht, ob es eine Frau war«, antwortete Andrej. »Ich hatte irgendwie das Gefühl, aber ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen.«
    »Aber sie war eine von uns?«
    »Ich bin nicht sicher«, erwiderte Andrej.
    »Nicht sicher?«, wiederholte Abu Dun.
    »Genau«, sagte Andrej. Er war selbst ein wenig erstaunt über den gereizten Ton in seiner Stimme. Tatsache war, dass er das Gefühl hatte, tief in seinem Inneren genau zu wissen, wem das Gesicht hinter den schwarzen Schatten gehörte. Aber der G e danke hatte etwas so Erschreckendes, dass er ihn nicht weite r verfolgen wollte.
    Abu Dun ging auch nicht auf seinen so scheinbar grundlos gereizten Ton ein, sondern griff unter seinen schwarzen U m hang und zog einen mehrfach zusammengefalteten Zettel he r aus, den er ihm schweigend reichte. Nachdem Andrej ihn au s einandergefaltet und über dem Knie glatt gestrichen hatte, en t deckte er zwei in einer verschnörkelten, aber sehr präzisen Handschrift ausgeführte Zeilen - offenbar eine Adresse. Sie sagte ihm nichts. Fragend sah er Abu Dun an.
    »Den Zettel habe ich dem Kutscher gegeben«, sagte der N u bier. »Und der hat mich hierher gefahren. Nahe genug an das Versteck deiner neuen Freunde heran, damit ich dich spüren kon n te.«
    »Woher hast du das?«, fragte Andrej.
    »Jemand hat es vor einer Stunde bei unserer Zimmerwirtin abgegeben«, antwortete Abu Dun. »Eine Frau. Unsere gestre n ge Vermieterin war der Meinung, sie hätte ausgesehen wie ich.«
    »Eine Nubierin?«
    »Schwarz«, antwortete Abu Dun.
    Ja, das hatte er wohl verdient. Andrej sah noch einmal auf den Zettel herab. Gerade war es ihm nicht aufgefallen, weil er sich ganz auf die Schrift konzentriert hatte, aber nun sah er, dass das Papier von sehr eigenartiger Beschaffenheit war, rau und fas e rig und von gelblicher Farbe. »Papyrus«, sagte Abu Dun auf seinen fragenden Blick hin und nickte.
    Und auch die Schrift war noch eigenartiger, als ihm auf den ersten Blick aufgefallen war: So präzise und gleichmäßig, als wäre sie gedruckt, aber unzweifelhaft mit Tinte geschrieben und das offensichtlich von der Hand eines Menschen, der diese Buchstaben nicht gewohnt war und sich gerade deshalb um eine besonders genaue Schreibweise bemühte.
    »Auch das würde passen, nicht wahr?«, fragte Abu Dun.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, behauptete Andrej.
    »Nein, natürlich nicht.« Abu Dun seufzte tief. »Natürlich nicht.«
    Sie hatten den Rest der Fahrt in unangenehmem Schweigen zugebracht - wenn auch sicherlich aus unterschiedlichen Grü n den -, und die angespannte Stimmung schien wohl auch auf i h ren Fahrer übergegriffen zu haben. Mit einem harten Ruck brachte er die Droschke vor der Pension zum Stehen und schien es gar nicht abwarten zu können, seine beiden sonderbaren Fahrgäste endlich loszuwerden. Als Andrej um den Wagen herumeilen wollte, streckte er blitzschnell seine kleine Rei t peitsche aus und berührte ihn damit an der Brust, um ihn z u rückzuhalten. Andrej senkte demonstrativ den Blick und starrte die Peitsche an, und der Mann hatte es plötzlich sehr eilig, die Gerte wieder zurüc k zuziehen. »Macht einen Schilling«, sagte er missmutig.
    Abu Dun und er waren noch nicht sehr lange in dieser Stadt, und sie zogen es im Allgemeinen vor, zu Fuß zu gehen, statt sich in einem unbequemen Fuhrwerk durchschütteln zu lassen (und dabei am Schluss auch nicht sehr viel schneller voranz u kommen), aber er wusste dennoch, dass dieser Fahrpreis mehr als unverschämt hoch war Er dachte daran, den Mann darauf hinzuweisen, dass er es nicht mit einem unbedarften Dum m kopf zu tun hatte, den er nach Belieben über den Löffel halbi e ren konnte, oder diese Reklamation Abu Dun zu überlassen und sich dann an der Reaktion des Mannes zu ergötzen, doch dann besann er sich eines Besseren. Seine Hand glitt in die Tasche, bevor ihm wieder einfiel, wo seine Geldbörse abgeblieben war Er gab Abu Dun einen Wink, aber der Nubier verzog nur die Lippen und sah jetzt unverhohlen schadenfroh aus. »Es tut mir aufrichtig leid, Sir«, sagte er in gestelztem Englisch

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