Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
mit aufg e setztem arabischem Akzent. Beides war unnötig. Der Nubier sprach Englisch ebenso fließend und akzentfrei wie ein Dutzend weiterer Sprachen. »Aber der gnädige Herr haben mich ja selbst aufgefordert, meine Gel d börse zu verschenken.«
    Das Misstrauen des Kutschers war jetzt unübersehbar, und Andrej sagte rasch: »Dann geh hinein und hol Geld. Ich warte so lange hier oder ist es Ihnen lieber«, fügte er direkt an den Fahrer gewandt hinzu, »wenn mein Diener hier wartet und ich g e he?«
    Der Mann maß ihn nur mit einem giftigen Blick, aber er wirkte zugleich auch so nervös, dass Andrej sich nicht gewu n dert hätte, hätte er auf sein Fahrgeld verzichtet und wäre ei n fach davongebraust. Dann nickte er jedoch nur, und Abu Dun trollte sich. Andrej wollte erst wieder in den Wagen steigen, lehnte sich dann aber nur mit den Schultern gegen den mo r schen Au f bau und sah dabei zu, wie Abu Dun mit zweifellos provozi e rend langsamen Schritten im Haus verschwand.
    Die Pension Westminster trug ihren Namen nicht zu Recht. Von außen betrachtet machte das anderthalbgeschossige G e bäude - das nicht in einer der schlimmsten Gegenden Londons lag, aber auch ganz gewiss nicht in einer vornehmen - sogar einen fast noblen Eindruck: Ein wenig von der Straße zurüc k gesetzt und hinter einem schmiedeeisernen Gartenzaun gelegen, dessen kunstfertige Ausführung und Höhe von besseren Zeiten kündete, sah es nicht so heruntergekommen aus wie die meisten anderen Häuser hier. Die Fenster wurden vielleicht zu selten geputzt, und wenn der Bereich zwischen dem Zaun und dem e i gentlichen Gebäude einmal ein Vorgarten gewesen war, so musste das Jahre zurückliegen - und Jahrzehnte, dass er einmal gepflegt gewesen war. In dem für hiesige Verhältnisse ung e wöhnlich schrägen Dach fehlten etliche Ziegel, und nach dem nächsten Sturm würden es noch mehr sein -wenn das Haus dann überhaupt noch ein Dach haben würde -, und das Glas in den schmalen Fenstern (eigentlich ein unvorstellbarer Luxus, gerade in einer Gegend wie dieser) war an etlichen Stellen gerissen und an noch mehr blind geworden. Aber die Preise waren moderat, die Zimmer sauber und die Besitzerin des Westminster ve r schwiegen und nicht zu geizig, um an kühlen Abenden den Kamin in Gang zu setzen. Das Essen war ebenso preiswert wie gut und selbst für Abu Duns gewaltigen Appetit reichhaltig g e nug. Das Wichtigste aber war, dass die Leute in dieser Gegend keine neugierigen Fragen zu stellen pflegten. Andrej hatte sich als Kaufmann aus dem Osten vorgestellt, der mehr Wert auf Diskretion und Verschwiegenheit legte als auf Komfort, und Abu Dun als seinen Diener und Leibwächter, und es hätte se i ner außergewöhnlichen Fähigkeiten nicht bedurft, um zu e r kennen, wie wenig Glauben die wortkarge Besitzerin des Westminster dieser Behauptung geschenkt hatte. Aber er hatte die beiden Zimmer, die Abu Dun und er im Dachgeschoss b e wohnten, für gleich zwei Wochen im Voraus bezahlt, und das war ganz offensichtlich alles gewesen, was sie interessierte. Sie hatte kein einziges Wort zu Abu Duns ungewöhnlicher E r scheinung oder zu seiner eigenen gesagt und auch nicht zu den vielleicht noch ungewöhnlicheren Zeiten, zu denen sie manc h mal kamen oder gingen.
    Allerdings hatte es Abu Dun nur ein einziges Mal gewagt, nach einer warmen Mahlzeit zu fragen, als sie die normalen Essenszeiten um vielleicht eine Stunde verpasst hatten, und d a nach nie wieder.
    Der Kutscher bewegte sich unruhig auf seinem Sitz. Er wa g te es nicht, auch nur einen Ton zu sagen, aber Andrej spürte seine Nervosität, und auch er sah zur Tür und fragte sich, wo Abu Dun blieb. Er hätte längst zurück sein müssen.
    Gerade wollte er sich mit dem Vorschlag an den Kutscher wenden, ihn ins Haus zu begleiten, um sich eine weitere unn ö tige Wartezeit zu ersparen, als er erneut -und diesmal ungleich stärker - das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. So schnell, wie es nur einem Wesen seiner Art möglich war, und wuchtig genug, um das ganze Gefährt erzittern zu lassen, stieß er sich von der Kutsche ab und fuhr herum, und diesmal war er schnell genug, um einen Schatten davonhuschen zu sehen. Federleichte, sehr schnelle Schritte entfernten sich, und Andrej hatte das G e fühl, von einer unsichtbaren Hand tief in seiner Seele berührt zu werden - drängend und sonderbar wärmend zugleich.
    Dann war beides verschwunden, und zurück blieb nur ein unangenehmes Gefühl wie von einem großen Verlust,

Weitere Kostenlose Bücher