Glut und Asche
antwortete Bess zögernd.
»Aber sie trug einen schwarzen Mantel und ein Schwert?«, vermutete Andrej.
Bess nickte. Sie begann unruhig auf dem breiten Polster hin und her zu rutschen. Andrej konnte ihr ansehen, wie unang e nehm ihr das Thema war. Sie sah wieder aus dem Fenster.
»Was hat sie gesagt?«, wollte Andrej wissen.
»Das weiß Ich wirklich nicht!«, beteuerte Bess. Sie sah i n zwischen aus wie das sprichwörtliche Häufchen Elend.
»Fred hat uns weggejagt und allein mit ihr gesprochen.«
»Aber ihr habt zweifellos gelauscht.«
Bess schwieg. Sie starrte weiter schweigend aus dem Fen s ter, und im Wagen hörte man nur das leise Klimpern der Mü n zen, mit denen sie immer noch spielte. »Viel habe ich wirklich nicht gehört«, sagte sie schließlich weinerlich. »Aber sie war sehr zornig, und ich glaube, Frederic hatte eine Menge Angst. Am Schluss hat er dann versprochen, euch alles zurückzugeben. Und vor allem das Schwert. Das schien der Frau ganz wichtig zu sein. Bevor sie gegangen ist, hat sie noch gesagt, dass sie wiederkommt, wenn Frederic nicht genau das tut, was sie sagt.«
»Und warum ist er dann nicht selbst gekommen, um uns das Schwert zurückzugeben?«, fragte Abu Dun.
Bess schwieg, aber Andrej sagte: »Wahrscheinlich traut er sich nicht. Irgendwie kann ich ihn sogar verstehen.« Er schwieg einen Moment, in dem er über das Gehörte nachdachte und nach einem offensichtlichen Fehler in Bess 'Worten suchte. Aber vergebens; erfand keinen.
»Anscheinend ist unserer alten Freundin wirklich daran g e legen, dass wir die Stadt verlassen«, sagte Abu Dun, wieder zum Arabischen wechselnd. »Allmählich beginne ich mich zu fragen warum.«
»Sie ist eben um unser Wohl besorgt«, antwortete Andrej in derselben Sprache.
Abu Dun wiegte unentschlossen den Kopf, wobei sein ries i ger Turban am Dach der Kutsche entlang scharrte. »Vielleicht.«
»Was soll das heißen?«
»Vielleicht ist sie ja auch um einen anderen besorgt«, an t wortete Abu Dun. Er wich Andrejs Blick aus und versuchte mit wenig Erfolg so zu tun, als täte er es nur, weil er angestrengt über etwas nachdachte. »Immerhin ist sie eine von ihnen. Manchmal frage ich mich, ob du das vergessen hast.«
»Sie hat sich gegen sie gestellt, um mein Leben zu retten«, sagte Andrej. »Und deines auch.«
»Das war vor zweihundert Jahren, Hexenmeister«, antwort e te Abu Dun. »Menschen ändern sich.«
»Sie ist kein Mensch.«
»Und Götter vielleicht auch. Vielleicht will sie nicht, dass du ihn tötest.«
»Unsinn!«, antwortete Andrej, lauter und sehr viel schärfer ; als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Abu Dun runzelte die Stirn, und Bess starrte ihn beinahe entsetzt an und sah aus, als würde sie am liebsten aus dem fahrenden Wagen springen.
Deutlich leiser und mit einem entschuldigenden Lächeln fuhr er fort: »Dann würde sie kaum dafür sorgen, dass ich mein Schwert zurückbekomme, oder? Und Loki hat keinen Grund, mich zu fürchten.«
»Du hast ihn schon einmal getötet«, antwortete Abu Dun ernst.
»Hätte ich ihn getötet, dann wäre er jetzt nicht hier«, an t wortete Andrej, »und noch am Leben.«
»Du weißt, was ich meine«, sagte Abu Dun. »Du hast ihn besiegt.«
»Ich habe ihn überrumpelt. Und ich hatte Hilfe. In einem fairen Kampf hätte ich keine Chance gehabt.«
»Und warum suchst du ihn dann, wenn du so sicher bist, nicht gegen ihn bestehen zu können?«, fragte Abu Dun.
Andrej lächelte dünn. »Wer sagt dir, dass ich vorhabe, fair zu kämpfen?«, fragte er.
Abu Dun schüttelte den Kopf. Andrej sah ihm an, wie viel ihm noch auf der Zunge lag und wie wenig ihm davon gefallen würde - aber dann seufzte er nur noch einmal tief und ließ sich auf der Sitzbank zurücksinken.
»Du hast ihn immer noch nicht vergessen, habe ich recht?«
»Wie könnte ich das?«
»Es ist mehr als siebzig Jahre her«, sagte Abu Dun beinahe sanft.
»Ja, und jetzt bin ich ihm so nahe wie nie zuvor in diesen Jahren«, antwortete Andrej. »Wir haben ihn zwei Menschenl e ben lang kreuz und quer durch die Welt gejagt - und du erwa r test von mir, dass ich jetzt aufgebe, wo ich ihm so nah bin wie noch nie zuvor?«
»Was Meruhe gesagt hat, gefällt mir nicht«, antwortete Abu Dun. »Vielleicht hat sie die Wahrheit gesagt. Ich habe ein sel t sames Gefühl. Irgendetwas wird passieren.«
»Anscheinend ist es wahr, was man über euch Heiden e r zählt«, seufzte Andrej. »Ihr liebt es, Gespenstergeschichten zu hören. Und ihr erschreckt euch
Weitere Kostenlose Bücher