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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vor jedem Schatten.« Und a u ßerdem hatte Abu Dun nur genau das ausgesprochen, was er selbst empfand. Etwas stand bevor. Er wusste nicht, was es war, aber es war etwas Großes und Schlimmes.
    Die Kutsche schaukelte, schwankte fast bedrohlich hin und her und kam dann mit einem so plötzlichen Ruck zum Stehen, dass Bess vom Sitz rutschte und hart auf beide Knie hinabfiel, bevor die Räder langsamer weiterrollten. Instinktiv versuchte Bess, sich mit der linken Hand festzuhalten. Sie bekam die Türklinke zu fassen und drückte sie herunter, und die Tür schwang nach außen und zog das überraschte Mädchen mit sich. Bess stieß einen quiekenden Schrei aus, war aber nicht geistesgegenwärtig genug, die Klinke loszulassen, sondern wurde mit der Tür nach außen gezogen. Andrej packte gerade noch rechtzeitig genug zu, um sie an der Schulter zu erwischen und auf diese Weise zu verhindern, dass sie aus dem fahrenden Wagen fiel und sich verletzte oder gar unter die Räder der Ku t sche geriet.
    Bess reagierte allerdings ganz anders, als er erwartet hatte. Gerade lang genug, bis der Wagen ganz zum Stehen gekommen war, hielt sie sich noch mit der linken Hand und mit beinahe verzweifelter Kraft an der Türklinke fest, dann begann sie nicht nur urplötzlich mit den Beinen zu strampeln und schrill, fast schon hysterisch zu kreischen, sondern riss sich auch mit einem so plötzlichen Ruck los, dass der dünne Stoff ihres Kleides mit einem Reißen nachgab und Andrej plötzlich nur noch einen Fetzen spitzenumrahmten Samts in der Hand hielt, während Bess selbst unsanft auf dem Kopf Steinpflaster landete.
    »Hilfe!«, schrie sie. »Nicht!«
    Andrej war mit einem einzigen Satz aus dem Wagen und neben ihr, um ihr auf die Füße zu helfen, aber Bess war so durcheinander und erschrocken, dass sie sich sofort wieder lo s riss, ein paar Schritte zurückprallte und dabei um ein Haar schon wieder gestürzt wäre. Ihre Knie waren aufgeschürft und bluteten, und bei dem Versuch, sie zu packen, musste er sie mit den Finge r nägeln verletzt haben, denn auch auf ihrem Oberarm prangte eine dreifache Reihe dünner Schrammen, aus denen hel lrote Blutstropfen quollen.
    »Nein!«, stammelte sie. »Bitte nicht, Sir! Bitte!«
    Andrej starrte sie nur an und verstand nicht, was sich vor seinen Augen abspielte.
    Abu Dun kam mit weit ausgreifenden Schritten um den W a gen herum, der mitten auf einem nicht besonders großen, aber belebten Platz zum Stehen gekommen war, und hielt inne. Se i nen erschrockenen Blick verstand Andrej erst, als ihm klar wurde, dass er noch immer vor Bess kniete, die zitternd und in Tränen aufgelöst vor ihm stand, mit blutigen Knien und aufg e kratztem Arm, die linke Hand nach ihr ausgestreckt hatte und in der rechten den Ärmel hielt, den er ihr versehentlich abgerissen hatte. »Aber...«, murmelte er.
    »Nein!«, rief Bess. »Bitte nicht, edler Herr! Ich ... ich will das nicht mehr! Es ... es tut immer so weh!«
    »Bess?«, murmelte Andrej verwirrt. Er kam endlich auf die Idee, den abgerissenen Ärmel fallen zu lassen und aufzustehen, und Bess trat noch einmal schnell einen Schritt zurück und hob schützend die linke Hand vor das Gesicht.
    »Nein, Sir, bitte nicht! Ich gebe Ihnen auch Ihr Geld zurück! Aber bitte. Ich will das nicht mehr!«
    »Bess, hör mit dem Unsinn auf, oder ich werde wirklich ä r gerlich!«, sagte Andrej scharf und entweder das oder der zorn i ge Schritt, mit dem er auf sie zutrat, musste wohl das Falscheste gewesen sein, was er hatte tun können, denn Bess schrie noch einmal schrill auf, fuhr herum und warf ihm die Münzen vor die Füße. Dann rannte sie los, um mit wehendem Haar und wi p penden Rockschößen in der Menge zu verschwinden.
    Zornig rief Andrej noch einmal ihren Namen und wollte hi n ter ihr herrennen, aber er kam nur zwei oder drei Schritte weit, dann stellte sich ihm eine Frau mit zornesrotem Gesicht in den Weg.
    »Bleiben Sie stehen, Sir!«, sagte sie scharf. »Was haben Sie mit diesem armen Kind gemacht?«
    »Gemacht?« Die ganze Situation kam Andrej so absurd vor, dass er sich einfach weigerte zu glauben, was sich gerade a b gespielt hatte.
    »Ma'am?«, murmelte er lahm.
    Das war anscheinend die falsche Antwort.
    »Sie ... Sie Unmensch!«, ereiferte sich die Frau. »Was sind Sie nur für ein Barbar! Dieses Mädchen ist doch allerhöchstens acht oder neun Jahre alt!«
    »Sieben«, antwortete Andrej mechanisch. Was ganz einde u tig noch dümmer war als seine vorherige Antwort, aber auch

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