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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Rest des Weges in beleidigtes Schweigen gehüllt, und Abu Dun hatte es nach dem vierten oder fünften Versuch aufgegeben, ihn mit schalen Witzen au f heitern zu wollen, über die er schon vor einem halben Jahrhu n dert nicht mehr hatte lachen können. Dass er dem Nubier in s geheim recht gab und ihm, je mehr er über die Ereignisse der zurückliegenden Tage nachdachte, immer mehr recht geben musste, hatte seine Laune noch verschlechtert, statt sie zu h e ben.
    Dennoch blieb er nicht nur auf der Stelle stehen, sondern zog sich auch mit einer raschen Bewegung in den Schatten eines überhängenden Vordachs zurück und besah sich die Szene am Flussufer noch einmal genauer und mit anderen Augen. »Es stimmt«, sagte er.
    Jetzt erkannte er auch, was ihn an der Szenerie gestört hatte. Die Männer am Ufer gingen scheinbar ihrem ganz normalen Tagewerk nach, aber sie waren dabei zu still, zu sehr auf ihre Arbeit konzentriert und zugleich auf eine kaum sichtbare, aber selbst über die Entfernung hinweg fühlbare Art nervös. Ni e mand lachte. Keine groben Scherze wurden hin und her ger u fen, niemand hielt für einen Augenblick inne, um seine Last abzusetzen, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen oder sich einfach einen kurzen Moment Erholung zu stehlen. Und mindestens zwei dieser Männer gehörten nicht dazu. Sie waren auf die gleiche Art gekleidet wie die anderen und taten diese l ben Dinge, aber man sah einem Mann an -gleich, wie stark oder schwach er war -, ob er es gewohnt war, seit Jahren schwere Lasten zu transportieren und mit seinen Kräften hauszuhalten oder ob er nur so tat. Und jetzt fielen Ihm auch die kurzen, ne r vösen Blicke auf, die nicht nur diese beiden Immer wieder In die Runde warfen.
    Abu Dun, der es Ihm gleichgetan und sich auf der anderen Seite der Gasse In einen Schatten geschmiegt hatte, deutete mit dem Kopf auf das baufällige Haus, In dem sie auf Frederic und seine Kinderbande gestoßen waren, und Andrej blickte au f merksam In dieselbe Richtung. Es dauerte einen Moment, bis er sah, w o rauf der Nubier Ihn hatte aufmerksam machen wollen, aber dann war er froh um dessen Achtsamkeit. Hinter einem Fenster Im ersten Geschoss (demselben, hinter dem auch er vor zwei Tagen gestanden und auf das Treiben am Flussufer hina b gesehen hatte) erhob sich ein Schatten. Es war nur ein Umriss , und der Mann hatte sich so geschickt postiert, dass er für das Auge jedes normalen Menschen mit dem Hintergrund ve r schmelzen und unsichtbar werden musste. Aber er bewegte sich, und jetzt, einmal darauf aufmerksam geworden, sah A n drej auch das matte Schimmern von Metall - vielleicht auch von sorgsam p o liertem Leder.
    Abu Dun erheischte mit einer Handbewegung abermals seine Aufmerksamkeit, machte diesmal eine Geste nach oben und berührte dann flüchtig sein Ohr. Andrej lauschte konzentriert und fragte sich allen Ernstes, ob Meruhe Ihm vorgestern Abend vielleicht mehr genommen hatte als nur kurzzeitig das B e wusstsein . Da waren Atemzüge, die nicht hierher gehörten. Die Häuser rechts und links der schmalen Gasse standen nicht leer; sondern waren bewohnt, und nun, als er den Schutz sinken ließ, den er gewöhnlich stets zwischen sich und einer Welt trug, die so voller Geräusche, Gerüche und anderer Sinneseindrücke war, dass sein Geist unter diesem Übermaß einfach zusammeng e brochen wäre, hätte er sie alle an sich herangelassen, konnte er die Atemzüge und Stimmen, ja, selbst die Herzschläge Ihrer Bewohner deutlich hören. Da waren mindestens vier oder fünf, wenn nicht mehr, die angespannt waren, konzentriert lauschten und wachsam beobachteten. Etwas scharrte. Scharf geschliff e nes Metall, das nervös Immer wieder ein kleines Stück weit aus einer ledernen Scheide herausgezogen und wieder eingesteckt wurde. Er spürte den scharfen, typischen Geruch von Schie ß pulver - eine Muskete, die vor nicht allzu langer Zeit geladen und bereit gemacht worden war.
    »Du hast recht«, flüsterte er. »Sie warten auf uns.«
    Abu Dun konnte so wenig wissen wie er. wer sie eigentlich waren, aber diese Falle war einfach zu offensichtlich, um hi n einzutappen und auf die bloße Hoffnung zu vertrauen, dass sie einem anderen galt. Abu Dun hatte sich getäuscht, dachte er Und er selbst vielleicht auch. Abu Dun, indem er der Meinung gewesen war, dass sich niemand für den toten Tagelöhner Int e ressieren würde, den man In der Nähe des Star Irin gefunden hatte, und er selbst, was Frederic anging. Vielleicht hatte er sich

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