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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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doch nicht damit zufriedengegeben, sie ein bisschen an der N a se herumzuführen und dafür zu sorgen, dass sie in eine peinl i che Situation gerieten. Und vielleicht, dachte er grimmig, wü r de er es doch nicht dabei bewenden lassen, diesem Bengel l e diglich den Hosenboden strammzuziehen.
    Abu Dun deutete wieder zur Themse hinab. Als Andrejs Blick seiner Hand folgte, erkannte er eine große, in zerschli s senes Grau gekleidete Gestalt, die einen schweren Sack auf der rechten und eine kaum minder schwere Kiste mit welkem G e müse auf der linken Schulter trug, sodass er ihr Gesicht erst nach e i nigen Augenblicken erkannte. Es war der große Bursche, mit dem sie am gestrigen Morgen gesprochen hatten - Pauly. Schweigend beobachteten sie, wie er mit seiner Last aus ihrem Blickfeld verschwand und kurz darauf, nicht mehr unter dem Gewicht gebückt, aber keinen Deut schneller, in die entgege n gesetzte Richtung zu rück schlurfte und Kurs auf den Lastkahn nahm, der so tief im Wasser lag, dass die graubraunen Wellen fast über seine Bordwand schwappten. Gerade als er ihn e r reichte, machte ihn Abu Dun auf eine weitere Gestalt aufmer k sam, die dieselbe Kiste mit Gemüse, die Pauly gerade vom Schiff geholt hatte, nun wieder zurücktransportierte. Es war eine Inszenierung, und sie war nicht schlecht, wie er zugeben musste. Die meisten anderen wären darauf hereingefallen. Er übrigens auch, wie er sich widerwillig eingestand, wäre Abu Dun nicht so aufmerksam gewesen.
    Andrej amüsierte sich mit dem kindischen Gedanken, ei n fach hier stehen zu bleiben und mit sich selbst Wetten abz u schließen, wann der erste als Arbeiter verkleidete Soldat aufgab oder einfach unter der Last zusammenbrach. Dann rief er sich in Gedanken zur Ordnung, wartete, bis Abu Dun in seine Ric h tung sah, und machte einige rasche, für jeden Uneingeweihten sin n los erscheinende Bewegungen mit den Fingern; Worte in einer Zeichensprache, die sie schon vor langer Zeit entwickelt und die sich schon mehr als einmal als nützlich erwiesen hatte. Abu Dun nickte, deutete ein knappes Grinsen an und drehte sich u n verzüglich um. Diesmal war es Andrej, der die Gefahr als Erster bemerkte. Nach nur zwei Schritten blieb er wieder stehen, hob warnend die Hand und deutete nach links, nur einen halben Atemzug später in die entgegengesetzte Richtung. Wä h rend er lautlos und ebenso schnell wie ein Schatten in dem G e bäude verschwand, auf das er zuerst gedeutet hatte, änderte er seine abschätzige Meinung über den, der für diese Falle ve r antwortlich war. Denn auch in den beiden Gebäuden am A n fang der Gasse waren Männer postiert, um ihnen jeden mögl i chen Fluchtweg abzuschneiden. Und auch sie waren nicht schlecht in dem, was sie taten.
    Aber auch nicht gut genug.
    Augenblicke später trafen sich Abu Dun und er wieder auf der Straße, und jetzt gab es keinen Grund mehr zu flüstern.
    Vor allem nicht für Abu Dun. »Sagte ich schon ...?«, begann der Nubier.
    »Ja«, fiel ihm Andrej ins Wort. »Mehrmals.«
    Abu Dun grinste breit, aber nur kurz, denn Andrej bedeutete ihm mit einer Geste weiterzugehen. Die beiden Männer, die ihnen aufgelauert hatten, um ihnen den Rückweg abzuschne i den, würden nicht vor Ablauf einer Stunde aufwachen - ve r mutlich sehr viel später -, doch Andrej wusste trotzdem, dass ihnen wahrscheinlich sehr viel weniger Zeit blieb. Die Dinge pflegten niemals genauso abzulaufen, wie man es geplant hatte, und er hatte sich schon vor sehr langer Zeit angewöhnt, davon auszugehen, dass alles schiefging, was schiefgehen konnte.
    Sie gingen zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und Andrej wurde sich immer schmerzhafter der Tats a che bewusst, wie sehr sie auffielen. Wortwörtlich jeder, dessen Weg sie kreuzten, musste sich an den riesigen schwarzen Mann erinnern, der nicht nur in der gleichen Farbe gekleidet war, sondern dem seine ohnehin beeindruckende Größe von mehr als sechseinhalb Fuß noch nicht zu genügen schien, denn er trug dazu noch einen fast halbmeterhohen Turban. Und auch er selbst war alles andere als unauffällig; zumindest für hiesige Verhältnisse. In der Droschke, die Frederic ihnen geschickt hatte, und auch in jenem Viertel der Stadt, in die sie sie hatte bringen sollen, hätte er einen ganz gewöhnlichen Anblick g e boten. Doch dies war ein typisches Arbeiter - und A r me-Leute-Viertel, in dem seine vornehme Kleidung jedermanns Aufmerksamkeit erregen musste - trotz oder vielleicht gerade wegen ihres

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