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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Zustandes. Bess hatte es sicher gut gemeint, aber sie war eine erbärmliche Schneiderin. Die Stiche, mit denen sie seine Jacke und die Pelerine geflickt hatte, sahen aus, als hätte sie versucht, mit einer Mistgabel zu nähen.
    Aber vermutlich war das nicht mehr von Bedeutung. Ihre Tage im Westminster waren ohnehin gezählt. Er dachte immer noch nicht daran, die Stadt zu verlassen, wie Meruhe ihm mehr oder weniger befohlen und Abu Dun zumindest geraten hatte, aber sie würden sich eine andere, weniger auffällige Unterkunft s u chen müssen.
    Drei Straßenecken von der Stelle entfernt, an der sie wieder auf die Hauptstraße hinausgetreten waren, deutete Abu Dun nach rechts und verschwand schnell in einem Schatten, der sich erst als Durchlass zwischen zwei Fachwerkhäusern entpuppte, wenn man ihn betrat. Es war kein richtiger Weg, sondern nur eine Lücke, die so schmal war, dass Abu Duns breite Schultern rechts und links an den unverputzten Wänden entlangstreiften. Selbst Andrejs scharfe Augen gewahrten nichts als ve r schwommene Dunkelheit. Aber der Geruch von fauligem Wa s ser und totem Fisch sagte ihm, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Nach einem Dutzend Schritten traten sie wieder ans Themseufer hinaus, und Abu Dun musste entweder über seh e rische Fähigkeiten verfügen, oder sie hatten einfach Glück g e habt: Die Gebäude auf dieser Seite standen allesamt leer und waren verlassen oder Lagerhäuser und Schuppen, in denen sich im Moment nur Ratten und anderes Ungeziefer mit mehr als zwei Beinen aufhielt. Der Lastkahn, der von einer trägen Kette aus Männern beharrlich ent - und wieder beladen wurde, die immer noch darauf warteten, dass ihnen eine Beute in die Falle ging, die längst selbst zum Jäger geworden war, war vielleicht zwei - oder dreihundert Meter entfernt. Von hier aus konnte man noch weitere Männer erkennen, die sich keine Mühe mehr g a ben, sich zu verstellen, aber doch so postiert waren, dass Abu Dun und er sie erst gesehen hätten, wenn es viel zu spät gew e sen wäre: ein halbes Dutzend Gestalten in zerschrammten Ha r nischen und mit hohen, im hellen Licht der Morgensonne wie Silber glänzenden Helmen. Die meisten waren mit Hell e barden und armlangen Stichwaffen ausgerüstet, die wie eine misslu n gene Mischung aus Schwert und Degen aussahen, zwei von ihnen trugen auch Musketen; ein Anblick, bei dem Andrej u n willkürlich leicht zusammenfuhr.
    »Dieser Jack war nicht zufällig ein heimlicher Verwandter des Königshauses?«, murmelte Abu Dun.
    »Ich schlage vor, ich frage ihn«, antwortete Andrej, »Sobald du ihn geholt hast.«
    Abu Dun zog die Augenbrauen zusammen. »Sobald ich ihn geholt habe?«
    »Bist du hier der Pirat oder ich?«, erwiderte Andrej todernst. »Außerdem war es deine Idee.« Bevor Abu Dun auffahren konnte, schnüffelte er übertrieben und fügte hinzu: »Und ohne dir zu nahe treten zu wollen - du brauchst ohnehin ein Bad.«
    Abu Dun bedachte ihn mit einem Blick, der sehr deutlich machte, dass das Gespräch damit noch nicht beendet war, hob aber dann nur missmutig die Schultern und nahm mit beiden Händen den Turban vom Kopf, ohne dass das filigran auss e hende Kunstwerk aus schwarzem Stoff auseinanderfiel. Behu t sam legte er ihn zu Boden, schlüpfte aus Mantel und Stiefeln und wurde im nächsten Moment zu einem Schatten, der lautlos zum Ufer schlich und dann beinahe ebenso lautlos ins Wasser glitt. Trotz aller Sorge und Anspannung konnte Andrej ein le i ses, schadenfrohes Lächeln nicht ganz von seinen Lippen ve r bannen.
    Abu Dun war von Anfang an ebenso klar gewesen wie ihm, welche Rolle er spielen würde, denn er war trotz seiner Größe und scheinbaren Schwerfälligkeit stets derjenige von ihnen g e wesen, der sich leiser und verstohlener bewegen konnte, und auch stets der bessere Schwimmer. Dennoch war ihm klar, welche Überwindung es den Nubier kosten musste, in das sti n kende Wasser einzutauchen. Abu Dun war ein sehr reinlicher Mensch, was zum Teil sicher in seiner Herkunft und Kultur b e gründet lag, hauptsächlich aber - zumindest mutmaßte Andrej das - wohl daran lag, dass er zu viele Jahre seines Lebens in stinkenden Verliesen und schmutzigen Gefängnissen verbracht hatte, wo er gezwungen gewesen war, in seinem eigenen Dreck zu leben.
    Langsam und pedantisch jeden Schatten als Deckung au s nutzend, schlich auch Andrej so nahe ans Ufer heran, wie er konnte. Von Abu Dun war keine Spur zu sehen, aber das e r staunte ihn kein bisschen. In dieser

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