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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fielen kurz hintereinander zwei, drei Musketen Schüsse.
    Andrej achtete auf nichts von alledem. Noch immer wie b e täubt, sank er neben dem toten Mädchen auf die Knie, ließ das blutige Messer fallen und drehte es auf den Rücken. Bess' A u gen waren noch immer weit geöffnet und schrecklich leer. Aber er las trotzdem einen stummen Vorwurf in ihrem Gesicht, den er vielleicht nie wieder vergessen würde.
    Bess war tot. Ein weiteres Leben, das sinnlos ausgelöscht worden war, das aus dem einzigen Grund enden musste, weil dieses Kind das Pech gehabt hatte, im falschen Moment seinen Weg zu kreuzen.
    Der Lärm auf der Straße nahm zu. Weitere Stimmen und Schreie ertönten, dann knallte abermals eine Muskete. Doch Andrej nahm es so wenig wahr wie das Krachen, mit dem die Tür eingeschlagen wurde, und die polternden Schritte, mit d e nen mindestens ein halbes Dutzend Männer hintereinander he r eindrängten.
    Alles in ihm war... leer Sein rasender Zorn auf Frederic war genauso schnell erloschen, wie er gekommen war, und selbst der Schmerz um das tote Mädchen war mit einem Male so n derbar unwirklich - wie etwas, von dem er nur glaubte, es zu empfinden, weil etwas in ihm der Meinung war, es zu müssen.

Der Span, den er fallen gelassen hatte, hatte etwas in Brand gesetzt, das jetzt heftig qualmte. Eine der schattenhaften G e stalten, die hinter ihm durch die Tür drängten, trat die Flammen aus, und eine Hand senkte sich auf seine Schulter und versuc h te, ihn von dem toten Mädchen wegzureißen. Andrej schle u derte den Mann von sich, beugte sich nur noch weiter vor und versuchte, Bess hochzuheben, ohne dass er selbst genau wusste warum, aber seine Hände waren glitschig vom Blut des toten Mädchens, und bevor er noch einmal zugreifen konnte, waren plötzlich mehr Männer da, sehr viel mehr; die ihn packten und auf die Füße rissen. Jemand drehte ihm brutal die Arme auf den Rücken, und ein Tritt in die Kniekehlen ließ ihn abermals auf die Knie fallen.
    Andrej hätte sich ohne Mühe losreißen und die Männer einen nach dem anderen niederschlagen können, aber er versuchte nicht einmal, sich zu wehren. Das flackernde gelbe Licht von vier oder fünf Sturmlaternen erfüllte plötzlich die Backstube, und noch mehr Männer mit schwarzen Capes und hohen Hüten drängten in den Raum. Mindestens drei Musketen richteten sich auf ihn, und ein weiterer Mann hatte einen schlanken Säbel g e zogen, mit dem er ebenso wild wie sinnlos herumfuchtelte. Konstabler Marcus kniete über dem toten Mädchen, drehte ihm den Rücken zu und betastete mit spitzen Fingern ihren Hals, als gäbe es den geringsten Zweifel daran, dass sie tot war . So blieb er eine geraume Weile hocken, griff dann nach dem blutigen Messer, das Andrej neben ihr fallen gelassen hatte, und drehte es ein paarmal in den Fingern, bevor er aufstand, ein Tasche n tuch aus dem Mantel zog und den abgebrochenen Dolch darin einwickelte. Mit einem Zipfel desselben Tuches wischte er sich sorgsam die Hände ab, erst dann drehte er sich zu Andrej he r um.
    »Ich nehme an, Sie haben eine gute Erklärung für das alles hier, Mister Delany ?«, fragte er Seine Stimme war ausdruck s los.
    Andrej schwieg.
    »Ja, das dachte ich mir.« Marcus wandte sich an einen and e ren Mann, der den reglosen Frederic mit kundigen Fingern u n tersuchte. »Was ist mit dem Jungen?«
    »Er lebt noch, Sir. Scheint Glück gehabt zu haben.«
    »Glück, so«, murmelte Marcus und drehte sich wieder ganz zu Andrej. »Das scheint ja dann wohl doppeltes Glück zu sein. Ich meine: Sobald der Junge wieder zu sich kommt, wird er doch sicher Ihre Unschuld bezeugen und uns erklären, wie es zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte, nicht wahr, Mi s ter Delany ?«
    Andrej schwieg beharrlich weiter; und Marcus schlug ihm ohne Vorwarnung so hart mit dem Handrücken ins Gesicht, dass se i ne Unterlippe aufplatzte und Blut über sein Kinn lief. »Oder?«, fragte Marcus. Vielleicht hätte er ihn noch einmal geschlagen, doch dann polterten Schritte die Treppe herunter. Einer von Marcus' Deputys wandte sich mit grimmigem Gesicht an seinen Vorgesetzten.
    »Oben im Bett liegt ein Toter«, sagte er »Wahrscheinlich der Bäcker. Seine Kehle ist durchgeschnitten.«
    »Ja, es sind schlimme Zeiten«, seufzte Marcus. »Seit all di e ses fremde Gesindel in der Stadt ist, ist man seines Lebens nicht mehr sicher, nicht einmal in seinem eigenen Bett, geschweige denn auf den Straßen.«
    Er wedelte müde mit der Hand. »Bringt den

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