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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wohlgefüllter Aktenschränke und ein unpassend au f wendig gerahmtes Gemälde, das irgendeinen vermutlich längst verblichenen Herrscher dieses Landes oder zumindest dieser Stadt zeigte. Er hob die Schultern.
    »Das Newgate-Gefängnis«, sagte Marcus und sah ihn an, als wäre er überzeugt, dass dieser Name Andrej etwas sagte. Das tat er nicht, und Andrej hob nur noch einmal die Schultern.
    »Aber Sie wissen, warum Sie hier sind?«, fuhr Marcus fort.
    Andrej zuckte zum dritten Mal die Achseln.
    »Ich verstehe«, seufzte Marcus. »Unverständnis vorzutä u schen wird Ihnen auch nicht helfen. Ich meine: Wir haben Sie mit dem Messer in der Hand neben dem toten Mädchen e r wischt. Und es gibt eine Menge Zeugen, die Sie heute Morgen zusa m men mit dem Mädchen gesehen haben ... angefangen mit Ihrer Zimmerwirtin.«
    »Ich bestreite nicht, sie gekannt zu haben«, sagte Andrej. Zugleich fragte er sich, warum er überhaupt antwortete. Für Marcus und den Rest dieser Stadt war er schuldig. Und vermu t lich stand auch das Urteil schon fest.
    Und außerdem fühlte er sich auch schuldig.
    »Warum haben Sie sie getötet?«, fragte Marcus.
    »Würde es etwas nützen, wenn ich Ihnen sage, dass ich das Mädchen nicht umgebracht habe?«, fragte Andrej.
    »Nein«, antwortete Marcus. »Es würde nichts nützen, und es ändert auch nichts.« Seine Finger fuhren fort, dem unsichtbaren Muster auf der Schreibtischplatte zu folgen, wie einem Mand a la, das ihn vielleicht als Einziges noch davon abhielt, einfach aufzuspringen und etwas zu tun, was er mehr als alles andere wollte, aber nicht durfte.
    »Und ich bin auch nicht hier, um mit Ihnen darüber zu reden. Mister Delany «, fuhr er fort. »Die Beweise sind eindeutig, meiner Meinung nach, doch damit soll sich der Anwalt der Krone und das Gericht beschäftigen.«
    »Das Gericht?«
    »Sie werden vor Gericht gestellt und bekommen einen fairen Prozess , Mister Delany «, antwortete Marcus kühl. »Ebenso wie Ihr Freund, sobald wir ihn gefasst haben. Und seien sie vers i chert, dass das Urteil genauso fair sein wird.«
    »Das zweifellos schon feststeht«, vermutete Andrej.
    »Mitnichten, Mister Delany «, sagte Marcus. »Ich weiß nicht, woher sie und Ihr Freund kommen, aber jetzt sind Sie in En g land, und hier herrschen Gesetz und Ordnung, die selbst Kre a turen wie Sie schützen. Leider, wie ich unumwunden zugebe. Sie werden Ihren Prozess bekommen. Aber machen Sie sich keine falschen Hoffnungen. Hierzulande hat man wenig Ve r ständnis für Mörder. Und noch weniger für Kindermörder.«
    »So wenig wie dort, wo ich herkomme, Konstabler .«
    »Inspektor«, verbesserte Marcus ihn.
    »Inspektor? Heute Morgen ...«
    »... war ich vielleicht der Meinung, dass es besser ist, wenn Sie mich für einen einfachen Konstabler halten«, unterbrach ihn Marcus. »War es ein Fehler? Ich meine, wäre das Mädchen noch am Leben, wenn ich mich zu erkennen gegeben hätte?«
    »Nein«, antwortete Andrej wahrheitsgemäß.
    »Weil Sie sie auf jeden Fall getötet hätten?«, fragte Marcus in rein sachlichem Ton. »Warum? Hatten Sie Angst, Sie könnte jemandem erzählen, was Sie von ihr gewollt haben?«
    Andrej beschloss, auf die einzige Art zu antworten, die ihm überhaupt noch sinnvoll schien: gar nicht.
    »Sie schweigen«, stellte Marcus fest. »Aber Sie werden schon noch reden, mein Wort darauf. Sie kennen dieses G e fängnis nicht? Dann seien Sie dankbar. Es gibt eine Menge wirklich schlimmer Männer hier Männer, die auf Ihre Hinric h tung oder eine lebenslange Kerkerstrafe warten. Männer, die Töchter h a ben, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Andrej verstand und schürzte abfällig die Lippen. »Sie wo l len mir Angst machen.«
    »Und ich glaube, dass es mir gelingt«, sagte Marcus ruhig. »Vielleicht wäre es besser für Sie, Mister Delany .«
    »Und vollkommen unnötig«, fügte Andrej hinzu. »Wenn Sie Fragen haben, dann stellen Sie sie, Konsta... Inspektor Ich we r de sie beantworten, soweit ich es kann.«
    Marcus' Blick machte klar, was er von dieser Behauptung hielt. Seine Finger malten immer noch auf die Tischplatte, aber seine Bewegungen waren schneller geworden. Hektischer. Dennoch hob er nur die Schultern. »Wie lange genau sind Sie und Ihr Freund, dieser Mister Dünn, schon in London?«
    »Dun«, verbesserte ihn Andrej. »Abu Dun.«
    »Abu Dun«, wiederholte Marcus nachdenklich. »Was für ein markanter Name. Wird er ihm gerecht?«
    Andrej machte sich in Gedanken eine Notiz, dass Marcus

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