Glut und Asche
Delany «, sagte er. »Die gesamte Polizei der Stadt sucht nach ihm. Er kann nicht entkommen, aber es wäre besser, wenn ich ihn verhafte. Die Männer sind aufgebracht, und sie haben Angst.« Er deutete mit dem Kopf zur Tür »Sie haben gerade selbst erlebt, was geschehen kann.«
Bludworth blickte fragend, beließ es aber dabei. Statt auf Marcus' Worte einzugehen, sagte er: »Sie wissen, wer ich bin, Mi s ter...?«
» Delany «, half Marcus aus.
»Mister Delany «, sagte Bludworth nickend. »Ein ... auslä n discher Name?«
»Alle Namen sind ausländisch«, antwortete Andrej. »Es kommt immer darauf an, wo man gerade ist.«
»Es freut mich, dass Sie Humor beweisen, Mister Delany «, sagte Bludworth kühl. »Auch wenn der Zeitpunkt vielleicht ein wenig unangebracht ist. Der Ernst Ihrer Lage ist Ihnen a n scheinend nicht bewusst.«
»Warum erklären Sie ihn mir dann nicht?«, fragte Andrej.
Er sah Bludworth an, dass er auffahren wollte, und Marcus hob rasch die Hand und deutete auf eine der Wachen an der Tür. »Holen Sie den Jungen, Stanley.«
»Und lassen Sie uns allein«, fügte Bludworth hinzu, an den zweiten Posten gewandt. Marcus runzelte die Stirn, und der Mann sagte unsicher:
»Sind Sie sicher, Mylord? Der Mann ist gefährlich.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich, Mann! Er liegt in Ketten und ist an einen Stuhl gefesselt. Verschwinden Sie!«
Die Tür fiel zu - zweimal -, und Bludworth ließ noch einige Sekunden verstreichen, bevor er seinen Spazierstock vom Tisch nahm und mit dem silbernen Knauf zu spielen begann. »Jetzt, wo wir unter uns sind, Mister Delany «, sagte er, »will ich ganz offen zu Ihnen sein. Ich bin autorisiert, Ihnen im Namen der Krone ein Angebot zu unterbreiten ... in aller Verschwiegenheit, versteht sich.«
»Versteht sich«, sagte Andrej. Was für ein Angebot?
»Uns liegen ... gewisse Hinweise vor, dass es eine Ve r schwörung gegen gewisse einflussreiche Kreise der Stadt gibt, mö g licherweise sogar gegen das Königshaus. Und Inspektor Marcus hat mich gerade gestern über den Stand seiner Ermit t lungen ausführlich informiert. Diese schrecklichen Morde - neun an der Zahl - haben am gleichen Tag begonnen, an dem Ihr du n kelhäutiger Freund und Sie nach London gekommen sind.«
»Neun?«, fragte Andrej überrascht. »Ich dachte, es wären -«
»Mehr?«, unterbrach ihn Marcus lauernd.
»Weniger«, antwortete Andrej.
»Es liegt nicht in unserem Interesse, Panik unter den Me n schen in dieser Stadt zu verbreiten«, sagte Bludworth ruhig. »Dass diese verabscheuungswürdigen Bluttaten am selben Tag b e gangen wurden, an dem Sie und Ihr schwarzer Freund nach London gekommen sind, muss natürlich nichts bedeuten. Lo n don ist groß, viele Menschen kommen und gehen tagtäglich. Aber uns liegen gewisse Hinweise vor. Indizien und Zeuge n aussagen und sogar eine anonyme Anzeige.«
»Von wem?«
»Wenn wir das wüssten, wäre sie nicht anonym«, sagte Bludworth. »Aber sie enthielt gewisse Hinweise, die sie recht glaubhaft erscheinen lassen. Was genau wollen Sie und Ihr Freund hier in London, Mister Delany ?«
»Wir wollten ... jemanden treffen«, antwortete Andrej z ö gernd.
»Einen Freund?«, fragte Bludworth. Er klang misstrauisch. Marcus sagte gar nichts, aber er sah ihn auf eine Art an, die j e des Wort überflüssig machte.
»Also keinen Freund«, schloss Bludworth, als Andrej auch dann nicht antwortete, nachdem er ihn eine geraume Weile mit seiner schärfsten Waffe traktiert hatte: einem Blick aus seinen glitzernden kleinen Schweinsäuglein.
»Was wollten Sie dann in unserer Stadt, Mister Delany ?«
»Sagen wir: Es ging um Geschäfte«, erwiderte er.
»Sagen wir das?« Bludworth begann wieder mit dem Griff seines Spazierstöckchens zu spielen. Allerdings war es ein sehr sonderbares Spiel für einen Mann wie ihn, fand Andrej: Er nahm den Stock und ließ den wuchtigen Metallknauf mehrmals hintereinander und so heftig in seine geöffnete Linke schnellen, dass es klatschte. »Aber wir wollen nicht darüber sprechen, was für Geschäfte das sind?«
Bevor Andrej antworten konnte, ging die Tür auf, und einer der beiden Wächter kam herein, ohne anzuklopfen.
Mit beinahe ängstlich gesenktem Blick, aber sehr schnell, ging er zu Bludworth hin und raunte ihm etwas ins Ohr, w o raufhin sich dessen Miene noch einmal verdüsterte. Er wartete zwar, bis sich der Mann hastig entfernt hatte, stand dann aber rasch auf und griff nach seinem Zylinder.
»Mylord?«, fragte Marcus
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