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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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mit Layton reden. Er hätte bemerken müssen, dass Neal ein schwarzes Mal am Arm hat, sei es auch noch so klein.
    Ich entschließe mich, Holly nichts zu sagen. Ich möchte ihr nicht die Laune verderben, sie hat ohnehin schon genug durchgemacht. Sollen die beiden das unter sich klären. Sie kann mir dankbar sein, dass ich Neal wegen seiner Unverfrorenheit nicht längst zerquetscht habe. Ihr zuliebe. Ich werde gleich einfach die Tür öffnen und es auf mich zukommen lassen. Irgendwie fühlt es sich gerade so an, als führte mich jemand zum Scharfrichter. Ich bin mir darüber bewusst, dass unsere Trennung unmittelbar bevorsteht. Oder vielleicht doch nicht? Noch könnte ich meiner Sippe den Rücken kehren und mit Holly irgendwo neu anfangen. Ich verspüre noch immer keinen Hunger. Wenn ich Glück habe, kehrt er nie wieder und ich wäre nicht darauf angewiesen, zu töten ... Für die Dauer eines Herzschlags durchzuckt mich sogar die fixe Idee, Holly zu packen, abzuhauen und Neal in seiner Zelle verrotten zu lassen, aber schnell besinne ich mich wieder auf meine Vernunft.
    Ich bin da, unmittelbar vor der Tür zu meinem Zimmer. Sie ist kalt und glatt, aus mattem Metall. Sekundenlang starre ich sie an, ohne mein Spiegelbild darin erkennen zu können. Ich seufze und presse meine Handfläche dagegen. Das Computerprogramm, das Gavin eigens dafür konzipiert hat, erkennt mich und lässt die Tür mit einem Surren aufschwingen.
    Holly sitzt auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt, die Beine dicht an den Körper gezogen. Sie hält den Kopf gesenkt. Ihre braunen Locken lassen mich ihr Gesicht nicht sehen. Sie schläft nicht, ich höre sie schnell und unregelmäßig atmen, als schnappte sie nach Luft. Dennoch sieht sie nicht einmal auf, als ich eintrete. Ich spüre sofort, dass etwas nicht stimmt.
    »Holly?«
    Sie rührt sich, hebt den Kopf aber noch immer nicht. Ich setze mich neben sie auf die Matratze. Als ich vorsichtig ihr Knie berühre, zuckt sie zusammen. Ich ziehe meine Hand zurück.
    »Holly, sieh mich an. Was ist los?« Plötzlich kommt mir der Gedanke, es könnte etwas mit der Unterhaltung mit Neal zu tun haben. Sie hat mit ihm gesprochen, ehe ich mit den anderen nach Newark gefahren bin. Was hat der Penner ihr erzählt?
    Jetzt höre ich sie leise, aber deutlich schluchzen. »Geh weg.« Sie spricht undeutlich, weil sie ihr Gesicht gegen ihre angezogenen Knie presst.
    »Ich soll weggehen? Und dann? Du kannst nicht ewig allein in meinem Zimmer sitzen. Ich wohne hier, schon vergessen?« Ich versuche, sie mit einem Anflug von Humor aufzuheitern, aber es gelingt mir mitnichten.
    Langsam hebt sie doch den Kopf und sieht mich an. Ich erschrecke mich, denn ihre Augen sind rot und verheult. Sie schnieft. Ich fühle mich überfordert und weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Soll ich sie umarmen? Ich kenne diese Art von Verhalten nicht. Ich habe noch nie jemanden weinen sehen, bis auf die Menschen, die wir hier gefangen halten. Aber das war immer etwas anderes, die haben mir nichts bedeutet.
    »Willst du mir sagen, was mit dir los ist?« Ich räuspere mich, denn meine Stimme klingt belegt.
    »Ich möchte, dass du mich und Neal hier herausbringst. Jetzt. Und dann möchte ich dich nie wieder sehen.« Sie wischt sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Zwischen ihren Augenbrauen bildet sich eine senkrechte Falte. Jetzt sieht sie eher wütend als traurig aus.
    »Wir haben beide gewusst, dass wir uns trennen müssen. Ich habe nicht geahnt, dass es dich derart hart trifft.«
    »Das ist es nicht!« Sie erhebt die Stimme und wird laut. »Wenn Neal nicht gewesen wäre und ich hätte bei dir bleiben können: Wann hättest du mir von Maureen erzählt?«
    Oh oh. Ihre Worte sind schneidend wie eine Rasierklinge, und genauso fühlt es sich in diesem Moment in meinem Herz an. Woher weiß sie das? Hat sie sie gesehen? Unmöglich. Sie bewohnt ein eigenes Zimmer in einem anderen Trakt des Quartiers. Aber Neal ... Hat er Holly davon erzählt?
    »Woher weißt du das?«
    Es scheint nicht die Reaktion zu sein, die Holly sich erhofft hat. »Du streitest es also nicht ab?«
    Die Schlinge zieht sich zu. Es bringt nichts, Holly anzulügen. Zu spät. »Wenn du mir die Chance geben würdest, es zu erklären ...«
    »Was gibt es da zu erklären? Neal hat mir erzählt, du wärest an eine andere versprochen. Ich wollte es ihm nicht glauben. Aber du gibst es zu. Du besitzt allen Ernstes die Dreistigkeit, mich zu küssen, obwohl du längst eine

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