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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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andere hast?« Holly springt von der Matratze auf und geht zur Tür. Sie hämmert mit ihren kleinen Fäusten dagegen. »Mach auf und lass mich gehen.«
    »Holly, beruhig dich. Ich empfinde nichts für Maureen.«
    Der Zorn, der aus ihren Augen sprüht, hätte jedem Acrai zur Ehre gereicht. »Sie denn für dich? Und du betrügst sie? Hör auf, mir Märchen zu erzählen. Ich will hier raus!«
    »Bis vor wenigen Tagen habe ich für nichts und niemanden irgendetwas gefühlt, und Maureen wird es nicht anders ergehen!«
    Ich bin drauf und dran, Holly endlich die ganze Wahrheit zu erzählen. Dass ich ein Wandler bin, dass ich den ganzen Mummenschanz nur mitmache, um unter den Acrai nicht aufzufallen, dass nicht einmal mein Mal echt ist. Aber meinen Lippen entweicht kein Laut. Ich habe das Gefühl, dass alles, was ich sagen könnte, ihre Meinung über mich nur noch verschlimmern würde. Dann würde sie mir erst recht vorwerfen, ein Lügner zu sein. Wut kocht in mir hoch. Weshalb musste Maureen ausgerechnet jetzt hier aufkreuzen? Weshalb hat Neal davon gewusst? Ich hasse ihn mehr denn je. Und am meisten hasse ich mich selbst. Ich hätte anders reagieren müssen, hätte es sofort bestreiten müssen. Ich kann dennoch nicht nachvollziehen, weshalb Holly sich so sehr aufregt. Ich verstehe noch immer nichts vom menschlichen Gefühlsleben, das wird mir mehr und mehr bewusst.
    »Können wir nicht noch einmal in Ruhe darüber sprechen? Ich habe dir doch erzählt, dass Acrai sehr früh sterben. Wir gehen deshalb arrangierte Partnerschaften ein, weil wir gar nicht die Zeit haben, uns ausgiebig kennenzulernen und noch Kinder großzuziehen. Ich habe mir das nicht ausgesucht.«
    Holly knurrt wie ein Wolf. »Aber du hättest mir erzählen müssen, dass es noch eine andere in deinem Leben gibt! Wie könnte ich dir je wieder etwas glauben?«
    Ich seufze und reibe mir mit der Hand über das Gesicht. »Ist es denn so wichtig für dich, es zu wissen? Ich habe dem keine Bedeutung beigemessen.«
    Wahrscheinlich habe ich wieder nur das Falsche gesagt. Holly verschränkt die Arme vor der Brust. »Wo bist du überhaupt gewesen, so viele Stunden? Bei ihr?«
    »Nein, wir sind jagen gegangen. In Newark.«
    Der Blick, den ich daraufhin ernte, lässt meine Hoffnungen auf ein versöhnliches Ende zerspringen wie Glas. »Habt ihr getötet? Und Spaß dabei gehabt?«
    Ihre Stimme klingt fremd, verzerrt und hoch, als kämpfte sie mit den Tränen.
    »Nein, wir haben zwei Menschen mitgebracht, damit wir sie
nicht
töten müssen.«
    »Nicht
sofort
töten müssen, wolltest du wohl sagen. Wer sind sie? Hast du sie ihren Familien entrissen?«
    Mir ist es höchst unangenehm, mich Hollys Kreuzverhör unterziehen zu müssen, aber ich habe den Eindruck, dass sie mir jede Lüge an der Nasenspitze ansehen würde. Wir sind seltsam eng miteinander verbunden, seit Holly meine Gefühlskälte geheilt hat. Wie ein hauchdünner Seidenfaden, der den Kontakt auch über große Distanzen hinweg wahrt. Ich denke an den kleinen fünfjährigen Jungen, den wir in der Ziegelei zurückgelassen haben, ohne seine Mutter und seine Schwester. Ich habe mich nie zuvor mehr gehasst als jetzt.
    »Wir haben eine Frau und ihre Tochter mitgebracht«, sage ich wahrheitsgemäß. »Und es hat mit
keinen
Spaß gemacht.
    Holly schweigt einen Moment, dann schnaubt sie. »Ich möchte nicht mehr mit dir reden. Mach die Tür auf, hole Neal und dann gehen wir. Ich bleibe keine Sekunde länger hier.«
    So hatte ich mir unsere Wiedervereinigung nicht vorgestellt. Ich zögere noch, sehe dann aber ein, dass ich hier nichts mehr retten kann. Mir bleibt nichts übrig, als Holly ihren Wunsch zu gewähren. Ächzend erhebe ich mich vom Bett.

Kapitel siebzehn
    Holly
     

    Bevor Cade die Tür öffnet, dreht er sich noch einmal zu mir um. »Ich bringe dich zuerst nach draußen. Wir verstecken dich irgendwo in unmittelbarer Nähe. Dann gehe ich zurück und hole Neal, wenn die Luft rein ist und mich niemand beobachtet.« Er klingt jetzt wieder so kalt und emotionslos, wie ich ihn kennengelernt habe, allerdings straft der traurige Glanz in seinen Augen seine Worte Lügen. Ich weiß nicht, ob er tatsächlich verletzt ist oder mich das nur glauben lassen will. Er hätte mir von Anfang an von Maureen erzählen müssen. Wir waren offiziell zwar kein Paar, aber ich fühle mich dennoch hintergangen und betrogen. Ich habe meinen ersten Kuss an jemanden verschwendet, der es offensichtlich nicht ehrlich mit mir gemeint hat. Hätte

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