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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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medizinische Station eingeweiht wurde. Er hatte ebenfalls ein Hemd getragen. Ob dieser Mann ...? Nein, das glaube ich nicht. Weshalb sollte sich ein hohes Tier ohne Geleitschutz und ohne ersichtlichen Grund in den Straßen der Stadt herumtreiben? Dennoch ist er anders.
    Ich verlangsame meinen Schritt und gehe auf ihn zu. Ob ich die Straßenseite wechseln soll? Nein, das käme mir kindisch vor. Ich habe mich heute schon hinreichend wie ein Kind aufgeführt. Ich sollte erhobenen Hauptes an ihm vorüber gehen und freundlich grüßen. Das wird das Beste sein.
    Er dreht den Kopf ein wenig und sieht mich an. Ich habe das Gefühl, ein Blitz würde mir in den Leib fahren, weil er mich so durchdringend anstarrt. Seine Augen haben eine eigenartige Farbe, orangebraun. Er ist groß mit breiten Schultern, seine Haare sehen ungekämmt aus. Nein, so würde kein ehrenhafter Staatsmann herumlaufen.
    Plötzlich überkommt mich Unbehaben. Ich habe den Mann noch nie gesehen. Diese Augen wären mir auch unter zehntausenden aufgefallen. Er steht völlig still, sein Rücken lehnt an der Wand, ein Bein hat er lässig über das andere gelegt. Seine Arme sind vor der Brust verschränkt. Er hat die Ärmel bis zum Ellenbogen aufgekrempelt. An seinem linken Handgelenk sehe ich schwarze Linien, die sich in einem komplizierten Muster den Arm hinaufschlängeln und unter dem schwarzen Stoff verschwinden. Ich habe so etwas schon einmal gesehen.
    In meinem Hirn arbeitet es. Mittlerweile befinde ich mich mit ihm fast auf einer Höhe. Die Haare auf meinen Unterarmen sträuben sich, als hätte ich mich irgendwo elektrisch aufgeladen. Es prickelt auf der Haut.
    Dann fällt mir ein, woher ich das Muster auf seinem Arm kenne. Die Ärztin in der medizinischen Station hatte es auch. Er
muss
einer der Obersten sein. Darin besteht kein Zweifel.
    »Weshalb denn so verzweifelt?«, fragt er mit dunkler schnurrender Stimme, die mir einen Schauder über den Rücken jagt. Ich bleibe stehen. Direkt vor ihm. Und das, obwohl mein Instinkt mir rät wegzulaufen.
    Ich erwische mich dabei, wie ich in seine Augen eintauche. Sie sind so seltsam, so besonders. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich schätze den Mann auf höchstens Anfang zwanzig. Er hat markante, männliche Gesichtszüge. Seine schön geformten hohen Wangenknochen faszinieren mich. Er sieht kein bisschen aus wie jemand, den ich kenne.
    Im ersten Moment bekomme ich kein Wort heraus, weil ich einen Kloß im Hals spüre. Ich reibe mir mit der Hand über das Gesicht, um wieder zu Verstand zu kommen.
    »Ich hätte heute in die Zentrale gebracht werden sollen.« Ich wundere mich über meine eigene dünne Stimme, die mir peinlich ist. Was erzähle ich ihm da eigentlich für einen Unsinn?
    Er zieht die Stirn kraus. »Gehörst du zu den Auserwählten?« Etwas an der Art, wie er das Wort betont, lässt mich stutzig werden. Habe ich einen Anflug von Missbilligung gehört? Das kann nicht sein. Niemand zweifelt am System.
    Ich nicke. Ich kann meiner Stimme nicht mehr trauen, deshalb atme ich einmal tief durch, um mich zu beruhigen.
    Der Fremde stößt die Luft zischend durch seine zusammengepressten Zähne hindurch aus. »Und weshalb bist du dann noch hier?«
    Ich räuspere mich, um noch einen Moment Zeit zu gewinnen, mich zu sammeln. »Es hat eine Verwechslung gegeben. Jemand hat sich für mich ausgegeben. Es war ein Irrtum.«
    Die orangebraunen Augen des Mannes irren kurz zur Seite, als müsse er überlegen. »Und deshalb bist du jetzt traurig?«
    Wieder nicke ich bloß.
    »Vielleicht kann ich dir ja helfen.« Ein Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht, das mir nicht geheuer ist. »Ich bin vom Volk V23. Ich kann dich mitnehmen in die Zentrale.«
    Wie zur Demonstration krempelt er seinen Ärmel noch weiter auf, um mich das eigenartige Mal auf seinem Arm sehen zu lassen.
    Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich kann mein Glück kaum fassen. Hat er mir wirklich gerade angeboten, mich mitzunehmen? Dennoch habe ich letzte Zweifel.
    »Glauben Sie, man kann den Irrtum aufklären? Ich habe meine Identitätskarte nicht mehr.«
    Für die Dauer eines Atemzugs sehe ich Ratlosigkeit in seinen Augen, als hätte ich ihm etwas erzählt, das er nicht versteht. Doch dann ist der Moment vorbei, er lächelt und macht eine beschwichtigende Geste.
    »Natürlich kann man das aufklären. Im Zweifel wiederholen wir den Bluttest.«
    »Was ist mit dem Mädchen, das an meiner Statt in die Zentrale gebracht wurde?« Ich konnte Suzie nie

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