Glutroter Mond
Tunneleingangs parkt. Es ist schwarz, die Scheiben sind getönt. Aber es sieht nicht so neu und sauber aus wie die Autos, die ich von den Staatsdienern kenne. Die Reifen dieses Fahrzeugs sind riesig, der Durchmesser fast so lang wie mein Arm. Es ist mit Dreck bespritzt.
Cade zückt einen Schlüssel und öffnet die Türverriegelung. Er zieht am Griff der hinteren Tür und bedeutet uns mit einer Geste einzusteigen. Mein Herz schlägt jetzt so schnell und wild, dass ich Angst habe, es könnte mir aus der Brust springen. Mein Magen macht einen Hüpfer. Als ich zögere, rollt Cade genervt mit den Augen.
»Benötigt ihr eine schriftliche Einladung?«
Neal knurrt verärgert. »Wir kennen so etwas nicht. Bitte haben Sie Verständnis für unser Zögern.«
»Nun gut. Lasst euch Zeit.« Cade verschränkt die Arme vor der Brust und tippt nervös mit dem Fuß auf den Boden. Ich komme mir albern vor, deshalb schlüpfe ich vorsichtig in den Innenraum des Fahrzeugs. Mehr und mehr macht sich jedoch der Verdacht in mir breit, dass hier tatsächlich etwas nicht stimmt.
Es gibt eine Sitzbank im hinteren Teil. Der Stoff ist glatt. Ich setze mich ans Fenster, aber ich habe das Gefühl, dass mir die Luft wegbleibt. Es ist so eng hier drin! Ich kann nicht atmen. Es gibt nicht genug Sauerstoff in einem Auto, dessen bin ich mir sicher.
Neal schwingt sich neben mich, und hinter ihm wirft Cade die Tür zu. Ich fasse mir an die Brust. Wir müssen ersticken! Neal legt tröstend seine Hand auf mein Knie. Er wirkt gefasster als ich.
Cade steigt auf einen der beiden vorderen Sitze. Vor ihm befindet sich ein Rad auf Brusthöhe. Ich verstehe die Technik nicht. Auch er zieht hinter sich die Tür zu. Er steckt seinen Schlüssel in einen Schlitz neben dem Rad, woraufhin ein ratterndes Geräusch ertönt. Ich weiß, dass es der Motor ist. Dennoch ist mir mulmig zumute.
Das Auto setzt sich in Bewegung, es drückt mich in den Sitz und drängt mich in den Kurven zur Seite. Ich versuche mich zu beruhigen. Niemand wird sterben. Es ist doch nur eine Autofahrt!
»Es passiert dir nichts«, flüstert Neal neben mir. Ich möchte ihm gerne glauben, aber die Angst lässt sich kaum unterdrücken. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es keine Obersten gibt, die den Einwohnern Schaden zufügen würden. Außer uns gibt es keine anderen Menschen. Ich werde schon sehen: Meine Angst wird völlig unbegründet gewesen sein.
»Wie lange fahren wir?«, fragt Neal. »Holly geht es nicht so gut.«
»Der Lincoln Tunnel ist kürzer als zwei Meilen. In New Jersey müssen wir allerdings noch ein ganzes Stück fahren.« Cade klingt irgendwie genervt.
»New Jersey? Was ist das? Der Name der Zentrale?« Neal klingt verwirrt, und ich bin es auch.
»Stell keine Fragen, Junge. Du wirst es bald sehen.«
Wir tauchen in den Tunnel ein, schlagartig umfängt uns Dunkelheit. Zu meiner Befürchtung, keine Luft zu bekommen, gesellt sich nun auch noch die Angst, nichts mehr zu sehen. Neals Hand liegt auf meinem Knie. Sie ist alles, was mich beruhigt. Das Geräusch des Motors dröhnt in meinen Ohren, der Wagen wackelt und schaukelt. Ich hoffe, dass mir nicht übel wird. Wie kann man freiwillig Auto fahren? Ich hoffe, dass die Obersten das nie wieder von mir verlangen werden, sollte ich die Zentrale je lebend erreichen.
Cade hat einen Schalter neben dem Rad bedient, auf dem seine Hände ruhen, bevor wir in den Tunnel hinein gefahren sind. Scheinwerfer an der Vorderseite des Autos sind daraufhin angesprungen. Sie leuchten die unebene Straße aus.
Ich presse meine Nase gegen die Scheibe und versuche, etwas zu erkennen, aber es ist vergebens. Mir erscheint die Fahrt unendlich lang. Irgendwann sehe ich einen fahlen Lichtschein vor uns, der sich mehr und mehr verstärkt und schließlich den Tunnel ausleuchtet. Wir fahren darauf zu. Es geht wieder bergauf, dem Tageslicht entgegen. Als wir hineintauchen, überschwemmt mich ein Gefühl der Erleichterung.
Leider nur kurz.
Jetzt kann ich meine Umgebung wieder deutlich sehen, aber es beunruhigt mich nicht minder als die Dunkelheit. Das hier ist nicht mehr unsere Stadt. Ich drehe mich um und sehe durch die Heckscheibe. In der Ferne sehe ich die hohen Häuser in den Himmel ragen, klein am Horizont. Es kommt mir unwirklich vor. Ich habe die Stadt nie zuvor verlassen. Aus meinen Büchern weiß ich, dass die Welt kurz hinter der Barriere endet, aber wir fahren nun schon minutenlang durch eine Landschaft, die mich gleichermaßen fasziniert und
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