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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Motelzimmer hinein. Von innen schlägt mir ein muffiger Geruch entgegen. Die beiden werden es überleben. Hinter ihnen schlage ich die Tür ein wenig heftiger als nötig zu und schließe ab, ebenso das Fenster. Zum Glück waren die Menschen der alten Welt misstrauisch genug, ihre Einstiegslöcher mit Schließmechanismen zu versehen. Verbrechen hat es anscheinend immer schon gegeben.
    Ohne mich noch einmal umzudrehen, stecke ich den Schlüssel zurück in die Hosentasche und mache mich auf den Weg zu meinem ganz besonderen Date.
    Weit muss ich nicht gehen. Unmittelbar hinter dem Motel schließt sich eine Bar an, das
Psy
. Obwohl die Bar und das Motel zu Geschäftszeiten immer voneinander profitiert haben, waren ihre Betreiber sich dennoch spinnefeind gewesen. Im
Black Nights Inn
hätte man froh sein sollen, dass sie ganzen besoffenen Idioten aus dem
Psy
häufig ihren Rausch dort ausschliefen, und das
Psy
hat wiederum vom Touristenstrom Richtung Manhattan profitiert. Nicht wenige haben auf ihrer Reise durch die USA dort einen Zwischenstopp eingelegt.
USA
! Oh Mann, wie lange ist das her? Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie die V23er »ihr« Land heutzutage schimpfen.
    Die Bar macht einen nicht weniger heruntergekommenen Eindruck als das Motel, obwohl es auch zu seinen besten Zeiten nie auf Hochglanz poliert gewesen war. Die alte Holztür hat auch damals schon Kerben aufgewiesen, der Putz der Außenfassade hat heute jedoch noch mehr Risse oder rieselt stellenweise sogar ganz herunter, wenn man das Gebäude nur schief ansieht. Es ist - wie auch das Motel - nur einstöckig mit einem flachen Dach. Ein Fenster sucht man an der Stirnseite vergebens, über der Tür hängt noch das Namensschild der Bar. Neonpinke Leuchtbuchstaben, die inzwischen leider nicht mehr leuchten, sondern ein trauriges Bild abgeben. Ich versuche, mich zu erinnern, wann hier das letzte Bier ausgeschenkt wurde. Das muss irgendwann im Krieg gewesen sein, vor mehreren Jahrzehnten, vielleicht sogar Generationen. Ich verliere dauernd das Zeitgefühl. Herrgott, bin ich wirklich schon so alt?
    Ich schüttle meine Gedanken ab und will gerade die Tür aufstoßen, als ich hinter mir das laute Aufheulen eines Motors wahrnehme. Aha! Der alte Schmierlappen Harry ist wenigstens pünktlich. Harry! Ein spießiger Name, der so gar nicht zu seinem Träger passen will.
    Ich fahre herum. Auf den Parkplatz zum Motel biegt ein Motorrad ein. Nicht eines der schönen alten Dinger aus Chrom und Blech, sondern eines von den hässlichen modernen Plastikvehikeln, die die V23er erfunden haben. Ich habe Harry nie danach gefragt, wie er daran gekommen ist. Ich will es auch gar nicht wissen. Aber ich wette, dass es eine blutige Angelegenheit gewesen war. Die Außenverkleidung des Teils ist komplett schwarz, wie alles, was das Volk V23 betrifft. Auf der Seite prangt ein gelber siebenzackiger Stern. Das Motorrad benötigt keinen altmodischen Kraftstoff, sondern fährt elektrisch mit Sonnenenergie. Für ausgedehnte Nachtausflüge verfügt es über einen Kernenergieantrieb. Ich halte Harry für ziemlich dumm, dass er das Motorrad gestohlen hat. Er ist nur ein Mensch, einer jener wenigen frei lebenden Individuen, die den V23ern ein Dorn im Auge sind. Ich frage mich, ob Harry sich nicht darüber bewusst ist, dass ihn die starke Neutronenstrahlung seines Gefährts irgendwann umbringen wird. Die V23er wie auch die Acrai sind unempfindlich gegenüber Radioaktivität, chemischen und biologischen Waffen. Deshalb sind wir auch noch immer hier, während 90% der Menschheit während des Kriegs sein Leben gelassen hat. Dummer Harry. Nun ja. So lange er mir bringt, was ich haben möchte, soll es mir egal sein.
    Harry parkt das Motorrad in der Einfahrt zwischen dem Motel und der Bar. Auf dem Gepäckträger des imposanten Zweirades thront ein würfelförmiger Behälter. Ich nehme an, darin transportiert er das Benzin.
    Harry kommt mit einem selbstgefälligen Grinsen auf mich zu. Er hat auf mich schon immer ziemlich verstrahlt gewirkt, und das auch schon, bevor er sich das Motorrad angeeignet hat. Er hat einfach einen Sprung in der Schüssel, einen mächtigen Schaden in der Schaltzentrale.
    Er trägt Lederkleidung, wie sein Motorrad ganz in schwarz. Mir entgeht nicht, dass eine Pistole in seinem Hosenbund steckt, aus seinem Stiefel ragt der Griff eines Messers. Misstraut er mir etwa? Ich schmunzle in mich hinein. Kluger Junge, vielleicht doch nicht ganz so verstrahlt. Ein paar Gehirnzellen scheinen

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