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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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ebenso wie ein Mensch auf der Stelle tot gewesen.
    Ich greife erneut nach Harrys Handgelenk, drehe ihm den Arm in der Schulter herum, bis es knackt. Im Gegensatz zu mir schreit er allerdings vor Schmerz.
    Bevor ich ihm etwas brechen kann, lasse ich ihn los. Er ist jetzt unbewaffnet und stellt für mich keine Gefahr mehr dar. Mit dem Fuß schieße ich seine Pistole über den Boden. Sie schlittert, bis sie an der gegenüberliegenden Wand zum Stillstand kommt. Unerreichbar für Harry.
    Ich sehe ihm mit meinem düstersten Blick in die Augen. Damit habe ich noch jeden Menschen in die Flucht getrieben, und sogar einige Acrai zollen mir Respekt, wenn ich sie so ansehe. Bei Menschen wirkt es eigentlich immer. Ich packe Harry am Kragen seiner Lederjacke und schleife ihn hinter mir her nach draußen. Die Sonne geht bereits unter, doch es haben sich Wolken davor geschoben, sodass nur ein breiter orangeroter Streifen über dem Horizont zu sehen ist. Es riecht nach Regen. Verdammt. Wasser hat mir gerade noch gefehlt.
    Ich stoße Harry vor mir in den Staub. Auf dem Hintern kriecht er rückwärts, weg von mir. Er starrt mich mit geweiteten Augen an. »Was bist du für ein Monster?« Seine Stimme ist fast nur ein Flüstern.
    Ich wende mich von ihm ab und gehe auf sein Motorrad zu. Harry protestiert nicht, als ich die Spanngurte löse und seine würfelförmige Transportbox heruntergleiten lasse. Er weiß anscheinend, wann es besser ist, den Mund zu halten.
    Ich schleife den Kasten ein Stück die Einfahrt entlang auf das Motel zu. Mich interessiert eigentlich gar nicht mehr, was Harry tut. Ich bin mir sicher, er wird mir nicht mehr zu nahe kommen. Dennoch drehe ich mich noch einmal über die Schulter hinweg zu ihm um. »Schleich dich! Nimm dein radioaktiv verseuchtes Motorrad und hau bloß ab.«
    Das lässt sich der Schmierlappen nicht zweimal sagen. Kaum, dass ich mich wieder umgedreht habe, höre ich das Aufheulen des Motors, gefolgt von durchdrehenden Reifen. Dann zieht er an mir vorbei, fährt über den Parkplatz und biegt auf den Highway ein. Dabei gibt er Vollgas. Ich schüttele nur den Kopf. Weshalb habe ich mich überhaupt je auf Tauschgeschäfte eingelassen? Es ist viel einfacher, sich zu nehmen, was man braucht. Ich mache mir eine gedankliche Notiz im Hinterkopf.
    Der Behälter, den ich hinter mir her ziehe, hat einen Deckel, der nur durch die Spanngurte gehalten wurde. Ich schiebe ihn herunter. Zum Vorschein kommt eine klare Flüssigkeit, die in Augen und Nase beißt. Ich schließe den Deckel wieder und deponiere den Behälter hinter dem Motel. Dann gehe ich zurück zum SUV, hole einen Kanister aus dem Kofferraum, kehre zurück und ziehe den Stöpsel aus dem Hahn am unteren Ende des Behälters. Als der Kanister voll ist, gehe ich zum Auto zurück. Ich befülle den Tank der alten Karre und schmeiße den leeren Kanister einfach zu dem anderen Schutt und Abfall, der sich auf dem Parkplatz türmt. Die ganze Welt wird eines Tages noch in ihrem eigenen Müll und Gestank versinken. Seit es keine Gesetze und niemandem mehr gibt, der sie außerhalb der Zentralen der V23er und deren Forschungslabore verteidigt, zerfällt das Land mehr und mehr.
    Die Box mit dem Rest Benzin lasse ich, wo sie ist. Ich bin mir sicher, dass sie niemand finden wird in dieser gottverlassenen Gegend. Ich kann später zurückkehren und den Rest holen.
    Ich wische mir die Hände an der Hose ab und ziehe den Schlüssel zum Zimmer 08 heraus. Ach ja, die beiden Menschen. Ich hätte sie beinahe vergessen.
    Als sich über mir dichte Wolken auftürmen und es in der Ferne zu grollen beginnt, schließe ich die Tür auf und schlüpfe in das muffig riechende Zimmer. Inzwischen ist es nur noch in Zwielicht getaucht. Ich habe eine Taschenlampe im Auto, aber ich möchte das Gebäude nicht mehr verlassen. Erste Regentropfen prallen auf die Fensterbank, ich höre sie überlaut trommeln. Zudem fällt mir kein überzeugender Grund ein, weshalb ich den beiden den Komfort einer Lampe gönnen sollte.
    Das Motelzimmer besteht aus einem kleinen Raum, kaum drei Yards an jeder Seite, und einer Nasszelle mit Toilette. Schwer vorstellbar, dass hier einmal Leute eingekehrt sein sollen. Freiwillig, wohl gemerkt. Alles ist kaputt. Von dem Kleiderschrank sind nur noch einzelne Bretter übrig, das Bett ist auf einer Seite zusammengebrochen und steht schief. Die Matratze verströmt einen widerlichen Geruch. Ich möchte wetten, sie zerfällt zu Staub, sollte man versuchen, sich darauf zu

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