Glutroter Mond
bloßen Hände benutzen.
»Harry, ich habe dir bereits draußen gesagt, dass ich das
Euphoria
nicht bekommen habe. Es ist etwas dazwischen gekommen. Das Tauschgeschäft im
Cave
hat nicht stattgefunden.«
Harry gießt mir einen Fingerbreit von der Flüssigkeit ins Glas und schiebt es mir hin. Ich rühre es jedoch nicht an. Er selbst gießt sich in aller Seelenruhe ein und nimmt einen tiefen Schluck, ehe er seufzt.
»Weshalb kommst du dann hierher, wenn du keine Drogen hast? Ich habe eher den Eindruck, du möchtest mehr dafür haben, als wir vereinbart hatten.«
Ich knurre ihn an. Ich kann mir diese Eigenschaft einfach nicht abgewöhnen. »Es ist, wie ich dir gesagt habe. Im
Cave
hat es eine Razzia gegeben, ehe ich das Geschäft abwickeln konnte. Und das Benzin benötige ich dringend. Glaubst du, ich lasse mich von dir aufhalten? Es wäre lediglich etwas bequemer verlaufen, wenn alles seinen gewohnten Gang gegangen wäre.«
Es dauert einige Sekunden, ehe die Bedeutung meiner Worte in Harrys Verstand angekommen zu sein scheinen. Seine Augen weiten sich. Sehe ich Angst aufblitzen? Jetzt umfasst seine rechte Hand den Griff seiner Pistole, aber er zögert noch, sie herauszuziehen, weil ich ebenfalls keine Anstalten mache, mich zu rühren.
»Und gegen was hättest du das
Euphoria
im
Cave
getauscht? Vielleicht kann ich das auch gebrauchen.« Er scheint es tatsächlich auf eine gewaltlose Lösung anzulegen. Vielleicht ahnt er, dass ich ihm überlegen sein werde?
»Gegen Batterien. Aber der Mantel, in dessen Tasche sich die Dinger befinden, liegt ebenfalls noch im
Cave
. Nein, Harry, ich fürchte, wir kommen hier zu keiner friedlichen Einigung.«
»Und was machen wir jetzt? Ich habe nichts zu verschenken. Dann verschwendest du meine Zeit.« Unsicherheit flackert in seinen Augen auf. Wenn er nicht völlig dämlich ist, ahnt er nichts Gutes. Wenn er allerdings einlenkt und mir das Benzin freiwillig gibt, kann er meinetwegen in das Loch zurückkehren, aus dem er gekrochen ist. Okay, dann habe ich für immer einen Geschäftspartner verloren. Aber das werde ich ohnehin, egal, wie der heutige Tag für ihn ausgeht.
»Harry, das ist bedauerlich. Ich bin nämlich auf dein Benzin angewiesen.« Langsam erhebe ich mich von meinem Hocker. Ich möchte nicht den Eindruck von Nervosität erwecken. Meine Devise ist es, ihn mit selbstsicherem Auftreten zum Einlenken zu überreden. Ich weiß, dass ich hoch pokere. Immerhin ist Harry bewaffnet und ich nicht unsterblich. Ich klopfe mit den Fingern auf den Griff meiner alten Beretta. Er soll wissen, dass ich nicht wehrlos bin.
»Willst du mich umbringen?« Harry wird kreidebleich. Er ist nicht der harte Hund, für den er sich immer ausgibt. Mein Glück.
»Nur, wenn du mir nicht gibst, was ich von dir verlange.«
Einige Augenblicke lang verharren wir in Schweigen. Man sieht dem schmierigen Kerl deutlich an, dass es in seinem Oberstübchen arbeitet. Weil ich jedoch keine Anstalten mache, meine Waffe zu ziehen, sieht er seine Gelegenheit gekommen. Offenbar möchte er seinen mühsam zusammengeklauten Treibstoff nicht kampflos aufgeben. Er hält mich vielleicht für verrückt, weil ich meiner Drohung keine Taten folgen lasse, aber auch mir wäre es lieber gewesen, er hätte freiwillig aufgegeben. Leider tut er mir den Gefallen nicht.
Harry springt plötzlich auf, der Barhocker fällt um und knallt auf den Boden. Mit dem Ellenbogen hat er die Flasche mit dem billigen Schnaps umgestoßen, die fällt ebenfalls um und zerspringt in mehrere Splitter. Sofort steigt mir der beißende Geruch von gepanschtem Alkohol in die Nase.
Hastig zieht Harry seine Pistole aus dem Hosenbund. Aber was für einen Menschen als hastig gelten mag, ist für mich allenfalls gähnend langsam. Ehe er abdrücken kann, schlage ich ihm mit der Faust gegen die Hand, die Pistole rutscht ihm aus ebendieser und schlägt zwischen uns auf dem Boden auf. Ein Schuss löst sich. Dummerweise trifft er mich. Ein scharfer Schmerz fährt mir in den Unterschenkel. Verdammt, schon zum zweiten Mal in dasselbe Bein! Ich müsste noch eine Kugel vom Gerangel im
Cave
im Knochen stecken haben.
Harrys Unterkiefer klappt herunter, als er auf mein blutendes Bein starrt und gleichzeitig registriert, dass mich die Verletzung nicht die Bohne stört. Ich habe nicht einmal aufgeschrien. Selbstverständlich war es leichtsinnig von mir gewesen. Mein Körper ist nicht unzerstörbar. Hätte mich die Kugel ins Herz oder in den Kopf getroffen, wäre ich
Weitere Kostenlose Bücher