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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Treppe hinab weiter ins Innere der Erde. Es gibt kein Tageslicht, nur grell leuchtende Neonröhren, die in regelmäßiges Abständen an der Decke entlanglaufen. Manche davon flackern.
    Wir steigen die Treppe hinab, die nur spärlich beleuchtet ist. Anders als der Flur besteht sie wieder aus Stein. Ich zähle dreiundzwanzig Stufen. Dann erweitert sich der Gang. Wieder bestehen die Wände aus Metall. Jetzt kann ich sie jedoch nicht mehr berühren, wenn ich beide Arme ausbreite. Die Luft ist nicht so stickig, wie ich es im Inneren der Erde erwartet hätte. Von irgendwoher streicht sogar ein seichter Wind über meine Haut.
    Neal geht direkt vor mir. An seinem Gang erkenne ich, dass er angespannt ist. Er geht nicht so beschwingt und federnd wie sonst, sondern steif und irgendwie wankend. Er dreht sich nicht ein einziges Mal zu mir um, was mich noch mehr verunsichert. Ich glaube, er tut es deshalb nicht, weil er sich davor fürchtet, ich könnte die Angst in seinen Augen sehen. Aber ich weiß auch so, dass sie da ist. Mir geht es kaum besser. Ich lasse nicht zu, dass Panik mich übermannt und versuche jeden Gedanken an die kommenden Stunden zu verdrängen. Nur so kann ich überleben. Noch vor zwei Tagen habe ich gedacht, die Welt bestünde nur aus unserer Stadt und der Zentrale der Obersten. Ich muss erkennen, wie dumm ich gewesen war. Ich hasse mich dafür. Ich hasse mich am meisten dafür, dass ich mit Cade gegangen bin. Dass seine schönen Augen mich in die Irre geführt haben.
    Cade geht mit uns immer weiter durch einen länglichen Flur. Rechts und links zweigen mehrere Metalltüren ab, aber sie sind alle geschlossen. Der Ort wirkt leblos und leer. Das weiße Licht der Neonröhren lässt meine Haut blass aussehen. Es wirft keine Schatten, weil es viel zu diffus ist.
    Am Ende des langen Flurs erreichen wir wieder eine Tür. Ich habe bis dahin sechs auf der rechten und vier auf der linken Seite gezählt. Die Tür vor Kopf ist somit die elfte. Cade öffnet sie abermals, indem er seine Handfläche dagegen drückt. Ich frage mich, ob es einen eingebauten Scanner unter dem Metall gibt, so ähnlich wie an den Wohnhäusern, die ich kenne.
    Die Tür schwingt auf. Erst jetzt dreht Cade sich wieder zu uns um. Glaubt er, wir seien weggelaufen? Wohin denn?
    Er bleibt unter dem Türsturz stehen und lässt uns vorangehen. Der Raum ist groß, aber zu meiner Überraschung nicht ganz so steril wie der lange Flur. Die Wände sind grob verputzt und grau, die Decke höher als im Gang. Der Boden ist hochglänzend und schwarz. Ich weiß nicht, aus welchem Material er besteht. Es gibt keine Schränke oder Regale, kein Bett, keine persönlichen Gegenstände. In der Mitte steht eine halbkreisförmige gepolsterte Sitzbank, ebenfalls schwarz und fast so breit wie der ganze Raum, ich schätze mehr als vier oder fünf Yards. Sie nimmt fast den ganzen Platz im Zimmer ein und ist zur Tür hin ausgerichtet. Darauf sitzen vier Menschen. Sie sehen aus, als hätten sie sich zuvor unterhalten, aber als die Tür aufgegangen ist, sind die Gespräche verstummt. Sie wenden uns die Köpfe zu. Es sind drei Männer und eine Frau. Sie tragen alle schwarze Hosen und Hemden oder einteilige schwarze Anzüge. Einer der Männer - der, der ganz links außen sitzt - hat die Ärmel aufgekrempelt. Auf seinem linken Unterarm befindet sich ebenfalls das Mal aus geschwungenen Linien, aber es ist viel kleiner als das von Cade, es reicht gerade zehn Zentimeter vom Handgelenk aus zur Armbeuge hin. Er hat schulterlanges blondes Haar, seine Haut ist blass und die Gesichtszüge kalt. Doch seine Augen haben dieselbe eigentümliche Farbe wie die von Cade.
    »Du kommst spät«, sagt die Frau. Mein Blick zuckt zu ihr herüber. Sie sitzt zwei Plätze neben dem blonden Mann. Ihre Haare sind schwarz, glatt und fallen ihr bis über die Brüste. Ihr Gesicht ist schmal.
    »Es hat gestern Nacht heftig geregnet«, sagt Cade, ohne sich zu rühren oder seine Gefangenen zu beachten. Neal und ich stehen stocksteif da und rühren uns nicht, als könnten wir uns dadurch unsichtbar machen.
    Der Mann zwischen dem Blondschopf und der Frau nickt. Seine Haare sind ganz kurz, so kurz, dass ich die Kopfhaut hindurch schimmern sehen kann. »Hast du keinen Schirm dabei gehabt?« Er grinst schief, aber nicht freundlich. Er ist mir unsympathisch, obwohl ich ihn nicht kenne. Mein Magen droht zu rebellieren, weil die Angst wieder in mir aufsteigt.
    »Nein«, knurrt Cade. »Außerdem musste ich neues Benzin

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