Glutroter Mond
zurückgeworfen wird.
»Wie sprichst du eigentlich mit mir?« Cade erhebt sich nun doch. Er tut einen Schritt auf mich zu. Oh je. Ich muss den Kopf nach hinten legen, um ihm in die Augen zu sehen. Ich zwinge mich, stehen zu bleiben und mir keine Schwäche anmerken zu lassen.
»In diesem Ton redet nicht einmal Layton mit mir, und der hasst mich.« Seine orangebraunen Augen funkeln mich an, aber ich sehe in ihnen keinen echten Zorn. Er möchte mich nur einschüchtern.
Plötzlich seufzt Cade auf und streicht sich mit den Fingern durch die Haare. »Es gefällt mir auch nicht und ich bin mehr als verwirrt. Mir sind die Hände gebunden. Ich muss in jedem Fall zurückgehen, Holly. Aber dich kann ich doch nicht wieder mitnehmen. Offiziell bist du tot.«
Wenn ich ehrlich sein soll, möchte ich in keinem Fall zurück in meine Zelle im Quartier der Acrai. Sie würden mich ohnehin nicht zu Neal lassen. Damit hätte ich nichts gewonnen, lediglich Cade lächerlich gemacht. Er hat ihnen erzählt, er hätte mich getötet. Nein, es steht außer Frage, dass ich mich den Acrai nicht zeigen kann. Aber Neal lasse ich auch nicht allein. Auf keinen Fall.
»Würdest du mich etwa ganz allein hier zurücklassen? Ist es das, was du mir vorschlägst?«
»Ich könnte dich nach Manhattan bringen, wenn der Tunnel noch offen ist.«
Mir rutscht die Hand aus. Es ist allerdings kein fester Schlag, eher ein Knuffen in seine Rippen. Zumindest wird es ihm so vorgekommen sein, denn er hat sich nicht einen Zoll gerührt, als meine Faust ihn getroffen hat.
»Das möchte ich aber nicht! Nimm mich mit nach Weehawken, lass mich im Auto oder sonstwo und dann hole Neal. Gemeinsam kannst du uns meinetwegen nach Manhattan bringen.«
Cade antwortet mir nicht sofort. Sein Blick irrt in der Halle umher, aber stets an mir vorbei. Ein Wechselbad an Emotionen spiegelt sich auf seinem Gesicht wider. Er wirkt menschlicher denn je. Ich spüre einen kurzen Stich in der Brust. Ja, ich möchte zu Neal zurück. Ich kann es nicht ertragen, ihn in der Gewalt von eiskalten Killern zu wissen. Aber kann ich Cade für immer Lebwohl sagen? Weshalb ist alles bloß so kompliziert? Ich verstehe nicht, was mit mir los ist. Mein Innerstes fühlt sich zu ihm hingezogen, als hätte er etwas von mir in sich, ohne das ich mich nicht komplett fühle. Er hat meine Gefühle in sich aufgenommen. Sie gehören zu mir. Ich kann ihn nicht gehen lassen, weil es bedeuten würde, einen Teil von mir aufzugeben. Die Erkenntnis schockiert mich. Ich hätte ihm nie das Leben retten dürfen.
»Ich will dich auch nicht gehen lassen, aber was bleibt uns anderes übrig?« Er spricht damit genau das aus, was ich soeben gedacht habe. Mein Herz macht einen Sprung. Ich schaffe es nur unter größter Anstrengung, ihm in die Augen zu sehen.
»Ich kann mit der Veränderung, die mich heimsucht, nicht umgehen«, fährt er fort, wobei er seine Stimme fast zu einem Flüstern herabsenkt. »Mein altes Leben war einfacher. Deine Gefühle wüten in mir wie ein Orkan. Ich kann sie nicht mehr loswerden. Du hast mich mit irgendetwas infiziert. Ich muss zurück, aber ohne dich, ob es mir gefällt oder nicht.«
Ich dränge eine Träne zurück, die sich in meinen Augenwinkel stehlen will. »Nimm mich mit. Ich verspreche dir, mich deinen Familienmitgliedern - oder was auch immer sie sind - nicht zu zeigen. Aber du musst mir versprechen, Neal da herauszuholen. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht.« Ich spreche nicht aus, dass alles wohl oder übel auf eine Trennung hinauslaufen wird, denn es schnürt mir die Kehle zu.
Cades wunderschöne Augen verengen sich zu Schlitzen. »Weshalb ist dir der Kerl so wichtig? Was läuft da zwischen euch?«
Ich kann die Woge aus Wut und Hitze, die er in diesem Moment verströmt, beinahe körperlich spüren. »Er ist nur ein Freund, sonst nichts.«
»Freund? Was ist das? Ich habe diesen Mist nie verstanden. Es gibt keine Freundschaft. Neal ist ein unangenehmer Typ. Du bist besser ohne ihn dran.«
Mich treffen seine Worte hart, zugleich spüre ich, dass es nur Trotz ist, der aus ihm herausspricht. Eifersucht?
»Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Ich glaube an Freundschaft, auch, wenn du es nicht verstehst.«
Cade knurrt nur und wendet sich ab. »Ich gehe jetzt noch einmal los und besorge dir etwas anderes zum Anziehen. Du kannst den Anzug nicht mehr tragen.«
Ich lege meine Hand auf seine Schulter. Ich weiß nicht, weshalb ich das tue. Regt sich in mir der Drang, ihn zu
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