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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Küchentisch und kramte in ihrer Handtasche nach dem Telefon, obwohl sie nicht die Absicht hatte, das Gespräch anzunehmen. Ray Muldune, blinkte der Bildschirm. Schon wieder. Sie legte das Handy auf den Küchentisch und schaute zu, wie es vibrierend vorwärtsrutschte.
    Ray wollte Informationen, die sie ihm nicht geben konnte. Sie war kalt, eiskalt, außer wenn es um ihre Träume mit Jones Cooper ging. Manchmal passierte ihr das, dann hing sie in einer Visionsschleife fest und konnte keine anderen Signale mehr empfangen. Nur aus diesem Grund hatte sie Jones aufgesucht, wohl wissend, wie er auf sie reagieren würde. Sie hatte sich vorgenommen, in den sauren Apfel zu beißen und ihm die Nachricht zu überbringen. Vielleicht hätte sie danach wieder ihre Ruhe. Vielleicht. Man konnte nie wissen.
    Eloise beschloss, eine Dose Katzenfutter zu öffnen. Das Geräusch würde ihn, da war sie sich sicher, aus seinem Versteck locken, egal ob nah oder fern. Aber gerade als sie den Küchenschrank öffnete, hörte sie knirschende Schritte auf dem Kies. Sie ging zum Wohnzimmerfenster und sah Ray Muldunes uralten Cadillac in der Einfahrt stehen.
    Ihr Handy gab einen Summton von sich. Sie zog es aus der Tasche.
    Du weichst mir aus , klagte die SMS sie an.
    »Oh Ray«, seufzte sie, obwohl niemand sie hören konnte. »Du brauchst wohl einen Wink mit dem Zaunpfahl.«
    Im nächsten Moment stand er auf der Veranda und klopfte so energisch an, dass die Scheiben klirrten. Eloise ging zur Tür und stellte sich hinter die Scheibe.
    »Ich kann dir nichts sagen, Ray«, rief sie. Sie machte keine Anstalten, ihn ins Haus zu lassen.
    »Okay«, sagte er und schaute zur Seite. Er sprach oft mit ihr, ohne sie anzusehen. Er verhielt sich immer so. Es war, als scanne er seine Umgebung ständig nach Gefahren und Problemen ab. »Ich verstehe. Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee? Könntest du die für mich erübrigen?«
    Sie spürte ein Kribbeln und unterdrückte ein Lächeln. Nur selten lächelte sie aus vollem Herzen, noch seltener empfand sie aufrichtige Zuneigung für jemand. Sie und Ray arbeiteten seit vielen, vielen Jahren zusammen. Er war der Einzige, den sie ansatzweise als ihren Freund bezeichnen würde.
    Sie funkelte ihn böse an, was ihn, wie sie genau wusste, weder täuschte noch einschüchterte. Seine Aura war kraftvoll, und sie wich zurück und senkte den Kopf. Neben seiner massigen Gestalt – er war über eins neunzig groß und wog angeblich fünfundneunzig Kilo, auch wenn sie es besser wusste – schrumpfte sie zusammen. Sein Gestank nach kaltem Zigarrenqualm (er hatte ihr versprochen, damit aufzuhören) verschlug ihr den Atem. Und Regen. Trotz des Qualmgestanks konnte sie Regen riechen, saubere, frische Luft. Sein Haar wurde schütter; an seinem Hinterkopf schimmerte die Kopfhaut durch, und seine Geheimratsecken waren markant. Trotzdem kam er ihr attraktiver und männlicher vor als bei ihrer ersten Begegnung vor vielen Jahren. Die tiefen Falten unter seinen Augen und die grauen Bartstoppeln standen ihm gut. Sie hingegen war verwelkt und vertrocknet und sah zehn Jahre älter aus. Sie wusste es, weil ihr Spiegel nicht log und weil Fotos noch ungnädiger waren.
    Ray wollte reden. Als sie in die Küche kam, stand er schon an der Spüle und hatte Kaffeekanne und Filter aus dem Schrank geholt.
    Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Küchentisch. Sie fuhr die Maserung im Holz mit dem Zeigefinger nach. Obwohl ihr Mann seit Langem tot war, trug sie immer noch ihren Ehe- und Verlobungsring. Sie war froh darüber, ihre Medikamente in den Schrank über der Spüle gestellt zu haben, denn Ray hätte die Fläschchen zweifellos bemerkt. Ihm entging nichts. Und auf solch ein Gespräch hatte sie überhaupt keine Lust, zumindest nicht heute Abend.
    Ray veranstaltete einen Höllenlärm. Er ließ die Becher gegeneinanderklirren, drehte den Wasserhahn voll auf, um die Kanne zu füllen, und knallte die Kühlschranktür zu. So war er. Er war ein körperbetonter Mensch, der seinen Frust abließ, indem er sich bewegte. Außerdem liebte er es, andere zu umarmen und beim Reden mit den Händen zu gestikulieren. An seiner Seite fühlte Eloise sich klein und gehemmt und so zerbrechlich wie ein Kartenhaus im Wind.
    »Ich hatte dir doch gesagt, dass ich im Fall der Fälle sofort anrufe«, sagte sie. »Inzwischen solltest du wissen, wie es funktioniert.«
    Er hielt für eine Sekunde inne, um ihr einen durchdringenden Blick zuzuwerfen.
    »Ich weiß nicht, wie

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