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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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»Wenn Sie mir nicht mehr helfen können …« Er beendete den Satz nicht, sondern gab Dr. Dahl die Gelegenheit, einzuspringen und ihm die Entlassungsurkunde zu überreichen. So etwas zu sagen wie: Vielleicht sollten Sie sich einen anderen Therapeuten suchen oder vielleicht sollten Sie eine Therapiepause einlegen.
    Aber Dr. Dahl sagte nichts in der Art. Stattdessen sah er Jones nachdenklich an. Jones sah, was er längst wusste – Dr. Dahl war ein guter Mensch, ein freundlicher und mitfühlender Psychologe, der in seiner Arbeit aufging. Er war wie Maggie. Plötzlich kam Jones sich schäbig vor, aber er sagte nichts.
    »Ich werde Sie bitten, vor unserer nächsten Sitzung über etwas nachzudenken«, sagte Dr. Dahl. »Ich bin nicht hier, um Ihnen fertige Antworten zu liefern und Ihnen zu sagen, für welchen Weg Sie sich entscheiden sollen. Ich möchte Ihnen helfen, die Antworten selbst zu finden. Ich möchte, dass Sie die Verantwortung für sich selbst nicht ablegen, wenn Sie in dieses Sprechzimmer kommen. Ich möchte, dass Sie die Handlungsmacht genau hier spüren.« Mit diesen Worten tippte er sich an die Brust. »Und dass Sie sie dazu benutzen, Ihr Leben nach Ihren Vorstellungen zu gestalten.«
    Vom Enthusiasmus des anderen beschämt, schaute Jones betreten beiseite. Er spürte die Hitze in seine Wangen steigen und wäre am liebsten aufgesprungen und weggelaufen.
    »Okay«, sagte Jones. Seine Stimme klang kalt und sachlich, beinahe sarkastisch. »Ich werde drüber nachdenken.«
    Jones schaute sehnsüchtig zu seiner Jacke, die am Haken neben der Tür hing, schien sich aber nicht aufraffen zu können.
    »Schön«, sagte Dr. Dahl, aber es gelang ihm nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Jones murmelte einen Abschiedsgruß, ohne dem Doktor ins Gesicht zu sehen, griff nach seiner Jacke und ging.
    Auf dem Heimweg hielt er bei Burger King und bestellte die halbe Karte – einen Whopper mit Käse, eine große Cola, Zwiebelringe, Pommes Frites und einen Schokoshake. Der Junge, der ihm die Tüte reichte, hatte schwarz lackierte Fingernägel und Piercings im ganzen Gesicht – in Nase, Ohren, Augenbrauen, Zunge. Jones ließ das Wechselgeld in den zerdrückten Pappbecher fallen.
    »Hey, vielen herzlichen Dank!«, sagte der Junge. Aus irgendeinem Grund brachten sein freundliches Lächeln und seine aufgeweckte Art Jones aus dem Konzept, so als mache er sich über ihn lustig. Als Jones wieder im Auto saß, umhüllte ihn ein vertrauter, würziger Duft, der synthetischen Genuss versprach. Eine Welle der Erleichterung durchströmte Jones, als er den Burger auspackte und hineinbiss. Er aß beim Fahren, ohne nachzudenken und ohne etwas zu schmecken, und danach versank er in der Lethargie der Fettverdauung, die sich nach dem Genuss von Junkfood unweigerlich einstellt. Als er zu Hause ankam, war ihm ein bisschen übel, aber er war dankbar, kaum noch etwas zu fühlen.

FÜNF
    D er Kater war verschwunden, und das sah ihm gar nicht ähnlich. Er war fett und faul und bewegte sich normalerweise nur im Schneckentempo zwischen Sofa, Futternapf, Bett und Fensterbank hin und her. Selbst wenn er es einmal geschafft hatte, seinen Wanst durch die Katzenklappe zu zwängen, machte er keine Anstalten, Vögel oder Nagetiere zu jagen. Er beobachtete Eichhörnchen und Finken, Mäuse und Rotkehlchen mit gelassenem Desinteresse. Eloise hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihm ein Glöckchen umzuhängen, denn sie wusste, dass ihn allein das Sonnenlicht nach draußen lockte. Er hatte nicht das Herz eines Jägers. Er war fürs Faulenzen geboren und gab sich dieser Tätigkeit vollkommen hin. Am liebsten lag er auf der Steinbank neben der Sonnenuhr und ließ sich die Sonne auf den rotgelben Pelz brennen. Später, wenn ein bestimmtes Limit erreicht war, schlich er ins Haus zurück und legte sich wieder hin.
    »Oliver!«, rief sie. Sie stand auf der Hintertreppe. Eine Bö brachte die Windharfen, die über der Veranda und in den Bäumen hingen, zum Klingen. Eloise konnte den kühlen Herbstwind nicht leiden. Er kündete Schneefall an, schwarze Äste und Winterstarre.
    »Oliver!«
    Ein ängstliches Zittern durchlief Eloise, als sie den Blick durch den Garten schweifen ließ und schließlich die Tür schloss. Vielleicht saß der Kater unter dem Bett oder irgendwo im Keller. Sie redete sich ein, dass er zurückkäme, sobald er hungrig wurde. Auf keinen Fall könnte er in der Wildnis überleben.
    Als sie wieder im Haus war, hörte sie ihr Handy klingeln. Sie ging zum

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