Gnade
paar Monate in der Zelle verbringen und gründlich über alles nachdenken. Und glauben Sie mir, Jim, ich habe genügend Einfluss, Sie beide einbuchten und eine Ewigkeit schmoren zu lassen.«
In dem Augenblick meldete sich Gary offensichtlich am Telefon. Jims Stimme bebte, als er sagte: »Du musst sofort in den Schwan kommen. Keine Widerrede! Tu’s einfach. Ich erkläre dir alles, wenn du hier bist.« Jim lauschte einige Sekunden, dann sagte er: »Zum Teufel, nein, es ist nicht wie geplant gelaufen. Buchanan und sein Freund sind vom FBI, und sie drohen, uns beide hinter Schloss und Riegel zu bringen.« Er hörte erneut seinem Bruder zu, dann schrie er: »Pech? Du nennst es Pech, dass uns das FBI drangekriegt hat? Hör auf zu quatschen und komm her!« Er unterbrach die Verbindung und starrte Theo hasserfüllt an. »Er ist auf dem Weg.«
Noah schaute aus dem Fenster und bemerkte, dass ein Streifenwagen auf den Parkplatz fuhr. »Die Cops sind da«, unterrichtete er Theo.
Michelle schnappte sich die Flinte und legte sie unter die Theke. »Ich habe doch noch gar nicht angerufen«, sagte sie mit fragendem Blick.
Harry war noch immer bewusstlos, und Happy hockte an einem Tisch in der Ecke und hatte den Kopf in die Hände gestützt.
Noah ging hinaus und kam ein paar Minuten später mit Ben Nelson wieder herein. Offenbar hatte er den Polizisten in alles eingeweiht, denn Ben beachtete die Männer so gut wie gar nicht. Seine Aufmerksamkeit und sein Lächeln galten Michelle.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte er sich besorgt.
»Mir geht’s gut, Ben. Wer hat dich denn angerufen?«, erkundigte sie sich. »War es Paulie?«
»Niemand hat mich angerufen. Ich bin nur vorbeigekommen, um dich zu besuchen.«
Das hörte Theo nicht gern. Michelle machte alle miteinander bekannt, obwohl das eigentlich nicht mehr nötig gewesen wäre. Theo jedenfalls wusste bereits, wen er vor sich hatte: Ben war der Typ, der ein Auge auf Michelle geworfen hatte.
Theo hatte nie auf das Aussehen von anderen Männern geachtet, und er hätte beim besten Willen nicht sagen können, ob Frauen Ben als gut aussehend einstufen würden. Er hatte ein freundliches Lächeln und zeigte dabei viele weiße Zähne. Er schien ein netter Kerl zu sein, aber das spielte keine Rolle. Theo bemerkte, wie Ben Michelle anlächelte, und konnte ihn auf Anhieb nicht leiden. Er musste sich zusammenreißen, um nicht feindselig zu wirken. Als er ihm die Hand gab, machte er sofort deutlich, wer hier das Sagen hatte.
Noah beobachtete die beiden Männer höchst amüsiert. Sie stellten sich in Pose wie zwei Hähne vor einem Kampf. Noah musste sich nicht groß anstrengen, um den Grund dafür zu erraten.
»Ich habe gehört, dass Sie zurzeit in Michelles Haus wohnen.« Bens Lächeln war verschwunden.
»Das stimmt.«
»Wie lange werden Sie sich denn in unserer kleinen Stadt aufhalten, Mr. Buchanan?«
»Das weiß ich noch nicht. Wieso interessieren Sie sich dafür, Chief Nelson?«
»Es gibt etliche hübsche Motels in St. Claire.«
»Tatsächlich?«
»Theo reist am Montag ab«, mischte sich Michelle ein. »So ist es doch, oder?«, fragte sie Theo herausfordernd.
»Schon möglich.«
Diese nichts sagende Antwort ärgerte Michelle. »Er hält einen Vortrag in Biloxi.« Sie wusste selbst nicht genau, wieso sie diese Information an Ben weitergab.
Theo nickte.
Diese Geste hatte denselben Effekt wie der Schmerz, den ein Zahnarztbohrer verursachte. Michelle hätte sich am liebsten gewunden. Aus Angst, etwas von sich zu geben, das sie später bereute, trat sie den Rückzug an. Sie schnappte sich den leeren Eisteekrug und ging in die Küche.
Nachdem Theo Ben erklärt hatte, was Harry und Happy getan hatten, las Noah den beiden Schlägern ihre Rechte vor. Dann lieh er sich Bens Handschellen und legte sie den beiden an.
»Was ist mit Jim Carson?«, wollte Ben wissen. »Werden Sie Anzeige gegen ihn erstatten?«
Theo bemerkte, dass Jim die Ohren spitzte. »Natürlich«, sagte er. »Aber ich möchte, dass er hier bleibt, bis sein Bruder kommt. Ich will mit beiden noch einmal reden. Wenn sie nicht kooperieren …« Er ließ den Satz absichtlich unvollendet.
»Ich tue, was Sie wollen«, rief Jim.
Ben hatte offensichtlich bessere Manieren als Theo. Bevor er ging, schüttelte er ihm herzlich die Hand. Das führte Theo vor Augen, dass er sich wie ein eifersüchtiger Liebhaber aufgeführt hatte. Beim nächsten Mal musste er sich dringend zusammennehmen.
»Danke für Ihre
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