Gnade
gewesen, ihm zu widerstehen. Jetzt war es zu spät. Sie ächzte leise. Theo war und blieb ein Verrückter, aber sie hatte sich trotzdem in ihn verliebt. Michelle schluckte schwer. Er sah so wahnsinnig gut aus … Sie rief sich selbst zur Ordnung. Dann schaute sie ihm in die Augen. Sie wünschte, Theo würde sie in seine muskulösen Arme nehmen, sie bis zur Bewusstlosigkeit küssen und dann zu ihrem Bett tragen. Sie wünschte, er würde ihr das Nachthemd ausziehen und jeden Zentimeter ihres Körpers liebkosen. Vielleicht würde auch sie ihn auf ihr Bett werfen, ihm die Jeans ausziehen und jeden Zentimeter seines Körpers liebkosen. Sie wünschte …
»Michelle, was machst du da? Es ist halb drei Uhr morgens!«
Ihre Vision endete abrupt. »Deine Tür quietscht nicht.«
»Was?«
Sie zuckte mit den Achseln und schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe dich nicht kommen gehört, weil deine Tür keinen Laut von sich gibt, wenn man sie aufmacht. Wie lange stehst du denn schon da?«
»Lange genug, um beobachten zu können, wie du an deiner Tür herumspielst.«
»Sie quietscht.«
»Ja, ich weiß.«
»Tut mir Leid, Theo. Ich wollte dich nicht stören, aber da du schon einmal wach bist …«
»Ja?«
»Hast du Lust auf eine Partie Karten?«
Er blinzelte. Dann breitete sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und Michelle wurde es ganz flau.
»Nein, eigentlich nicht. Du?«
»Eigentlich auch nicht.«
»Warum hast du mich dann gefragt?«
Sein durchdringender Blick machte sie extrem nervös, aber es war eine angenehme Nervosität, die sie am Abend zuvor bereits vor seinem Kuss verspürt hatte. Im Grunde war es natürlich furchtbar gewesen, denn Michelle hatte die ganze Zeit über gefürchtet, dass dieser Kuss endete. Und was hatten diese verwickelten Gedanken zur Folge? Sie verlor allmählich ihren Verstand. Sie fragte sich, ob sie ihre Patienten auch von der psychiatrischen Station aus behandeln konnte.
»Bitte hör auf, mich so anzusehen!« Ihre Zehen krallten sich in den Teppich, und sie fühlte, wie ihr Magen Purzelbäume schlug.
»Wie denn?«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich kann jedenfalls nicht schlafen, wie du siehst. Hast du nicht irgendeine Idee, was man dagegen tun kann?«
»Und was schwebt dir da vor?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie unsicher.
»Hmm.« Theo runzelte die Stirn.
»Ich könnte dir ein Sandwich machen.«
»Nein, danke.«
»Oder Pfannkuchen«, schlug sie vor.
Ihre Beklommenheit kletterte auf einer Skala von null bis zehn über die Neun hinaus. Hatte er überhaupt eine Ahnung, wie sehr sie ihn begehrte? Denk einfach nicht daran! Du musst dich beschäftigen. »Ich backe wirklich tolle Pfannkuchen.«
»Ich bin nicht hungrig.«
»Was soll das heißen – du bist nicht hungrig? Du hast doch sonst immer Hunger.«
»Aber nicht heute Nacht.«
Michelle zog die Unterlippe zwischen die Zähne und suchte fieberhaft nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit.
»Fernsehen!«, platzte es aus ihr heraus, und sie kam sich vor, als hätte sie gerade die Eine-Million-Dollar-Frage richtig beantwortet.
»Was?«
»Würdest du gern ein bisschen fernsehen?«
»Nein.« Nun hatte er ihr endgültig die Rettungsleine aus den Händen gerissen.
Sie seufzte. »Dann lass du dir etwas einfallen!«
»Etwas, das wir zusammen tun können? Bis du müde wirst?«
»Ja.«
»Ich möchte ins Bett.«
Michelle versuchte gar nicht erst, ihre Enttäuschung zu verbergen. Das hieß also, dass sie wieder diese blöden Schafe zählen musste. »Okay. Dann gute Nacht!«
Aber Theo ging nicht in sein Zimmer zurück. Er löste sich mit der Geschmeidigkeit eines großen, trägen, wohl genährten Katers vom Türrahmen und war mit zwei großen Schritten bei ihr. Seine Zehen berührten ihre. Dann stieß er die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf. Er roch leicht nach Aftershave und seinem eigenen herben Duft – Michelle fand diese Kombination ungeheuer erregend. Wem wollte sie eigentlich noch etwas vormachen?
Theo nahm Michelles Hand, aber sein Griff war federleicht. Sie hätte sich ihm leicht entziehen können, wenn sie gewollt hätte, aber sie tat es nicht. Im Gegenteil – sie hielt seine Hand fest. Dann zog Theo sie in ihr Schlafzimmer und machte die Tür hinter ihnen zu. Michelle lehnte sich dagegen, und Theo stützte die Hände rechts und links neben ihrem Kopf ab. Sein Becken presste sich gegen ihren Bauch.
Das Holz in Michelles Rücken war kühl, Theos Haut hingegen fühlte sich sehr
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