Gnade
Es gibt übrigens spezielle Einrichtungen, in denen du Hilfe bekommst. Man nennt sie Kliniken für Sexualtherapie.«
Er grinste. »Du bist die einzige Therapie, die ich benötige.«
»Ich freue mich, wenn ich dir behilflich sein kann.«
»Und was ist mit dir, Michelle? Hast du nie solche Träume?«
»O doch«, gestand sie. »Aber meine sind nicht so vielfältig. Ich habe immer nur einen einzigen.«
Er bedeckte ihren Hals mit kleinen Küssen. »Erzähl mir davon.«
»Es ist eine Variation dessen, was gerade geschehen ist«, flüsterte sie. »Aber in meiner Fantasie …«
Er hob den Kopf. »Ja?«
»Hebe ich dich hoch und werfe dich aufs Bett.«
Er lachte. »Ich bin ungefähr hundert Pfund schwerer als du«, übertrieb er.
»Wir Chirurgen entwickeln eine unglaubliche Kraft, weil wir ständig Rippen brechen und Knochen durchsägen müssen«, scherzte sie.
»Okay, ich bin bereit. Wenn du mich hochheben möchtest …« Als sie den Kopf schüttelte, verstummte er.
»Ich habe dir nur davon erzählt, damit du weißt …«
»Was?«
»Du kannst nicht immer alles bestimmen.«
»Und das heißt?«
»Diesmal ist es an mir, dich wild zu machen.«
»Wir werden sehen.« Er küsste sie, dann erhob er sich aus dem Bett und nahm sie auf seine Arme. »Es ist so heiß«, verkündete er.
»Schon wieder?«
Sie fuhr mit den Fingern durch sein verwirrtes Haar und zupfte die weichen Strähnen zurecht.
»Nicht so, das heben wir uns für später auf …«
»Wohin gehen wir?«
»Unter die Dusche.«
Sie war in dem Moment so glücklich, dass sie mit allem einverstanden gewesen wäre, was er vorschlug. »Ich möchte dich waschen, und du kannst …«
Sie legte ihm die Hand auf den Mund. »Ich kann es mir vorstellen.«
Zehn Minuten später plätscherte das Wasser inzwischen kalt auf sie herab, konnte jedoch ihre Leidenschaft nicht dämpfen. Michelle stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte Theo ihre Fantasien ins Ohr. Sie ging ins Detail, und als sie endete, wunderte sich Theo, dass er sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte. Michelle drängte ihn gegen die Kacheln, dann brachte sie ihn mit ihren Küssen schier um den Verstand. Währenddessen arbeitete sie sich langsam immer weiter nach unten vor.
Hastig trockneten sie sich zwischen den leidenschaftlichen Küssen ab. Dann fielen sie wieder ins Bett. Theo legte sich auf den Rücken. Michelle stützte sich auf einen Ellbogen und zeichnete mit der Fingerspitze seine kleine Blinddarmnarbe nach. Schließlich beugte sie sich vor und küsste sie sanft. Seine Lider waren geschlossen, aber er lächelte. »Machst du das mit all deinen Patienten?«
»Ihre Narben küssen?«
»Hmm.«
»Natürlich. Das muss ich doch.«
Er gähnte. »Wieso?«
»Das ist Teil des Eides, den ich geleistet habe. Mit vollem Einsatz die Schmerzen vertreiben.«
Sie zog die Decke hoch, legte sich ebenfalls auf den Rücken und schloss die Augen. Als sich Theo an sie schmiegte, döste sie bereits.
»Michelle?«
»Hmm?«
»Ich habe das Beste an dir entdeckt.«
»Was ist es?«, fragte sie verschlafen.
Er tastete unter die Decke und legte die Hand auf ihre Brust. Wenn sie nicht so müde gewesen wäre, hätte sie ihn gebeten, ihr zu erklären, warum Männer eigentlich dermaßen auf den weiblichen Busen fixiert waren, aber plötzlich wurde ihr klar, wo genau seine Hand lag. Tränen traten ihr in die Augen. Wie konnte sie diesen Mann nicht lieben?
Er hatte seine Hand auf ihr Herz gelegt.
28
Michelle wachte erst um Viertel nach zehn am nächsten Morgen auf. Sie streckte sich, rollte zur Seite und umarmte das Kissen, auf dem Theos Kopf gelegen hatte. Sie schloss die Augen noch einmal und dachte an die letzte Nacht. Allmählich bekam sie einen klareren Kopf, und ihr wurde bewusst, dass ihre Freundinnen bereits seit acht Uhr vor ihrer Praxis standen. Mary Ann würde sie umbringen. Ob sie in ihrem Auto saß und wartete? Nein, bestimmt war sie bereits wieder nach Hause gefahren.
Zwanzig Minuten später war Michelle bereit zum Aufbruch und lief die Stufen hinunter. Sie trug khakifarbene Shorts, eine ärmellose blaue Bluse, weiße Socken und einen Tennisschuh. Auf halber Treppe machte sie Halt, um sich den zweiten Schuh anzuziehen.
Dann begab sie sich auf die Suche nach Theo. Er saß an ihrem Schreibtisch im Arbeitszimmer und telefonierte. Noah hockte neben ihm auf der Schreibtischkante, und als er Michelle entdeckte, lächelte er.
»Guten Morgen.«
»Guten Morgen«, begrüßte sie die
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