Gnadenlos (Sara Cooper)
Jalousien hinuntergelassen, genau wie heute. Lilly hoffte, er habe nichts von ihrer Verspätung mitbekommen. Seit Sara im Innendienst war, teilte sich Lilly ihren Arbeitsplatz mit Shawn, was ihr Kollege missmutig zur Kenntnis genommen hatte. Cruz saß nun an Saras Tisch. Das Machtgehabe ihrer beiden männlichen Kollegen ging Lilly mittlerweile gehörig auf die Nerven. Am meisten ärgerte sie sich über Shawn. Er ließ keine Gelegenheit aus, Cruz eins reinzuwürgen. Sie war sich nicht sicher, wie lange Cruz das noch mitmachen würde. Er hatte sich verändert im letzten Jahr. War verschlossener geworden, und die für ihn typischen Scherze wurden auch immer seltener. Über Dave verlor er kaum noch ein Wort. „Das geht dich alles nichts an, Lilly“, flüsterte sie sich selbst zu und goss sich eine neue Tasse Kaffee ein. „Du bist wirklich ein Kaffee-Junkie.“ Trish stand vor ihr und musterte sie argwöhnisch.
„Hast du eigentlich nichts für unseren Boss zu erledigen?“, fragte Lilly patzig.
„Schon gut, schon gut.“ Trish hob abwehrend ihre Hand. „Und unserem Boss solltest du heute aus dem Weg gehen. Miller ist gar nicht gut drauf. Hab gehört, wie er Cruz schon am frühen Morgen am Telefon angeschrien hat“, flüsterte sie. Als sich Millers Jalousie bewegte, ging sie eilig weiter in die Küche. Seufzend knipste Lilly das Licht der kleinen Stehlampe an, rieb sich den Nacken und las nochmal ihre Aufzeichnungen durch. Sie sehnte sich nach einer Zigarette, hatte aber schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Sie sollte es dabei belassen, um Trish nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Stirnrunzelnd dachte sie an Lydia. Das Gespräch mit Claires Mutter konnte sie abhaken. Lydia Reynolds wusste einfach nichts. Philips Ausführungen hingegen waren beunruhigend. Auch wenn der Junge ziemlich wirres Zeug geredet hatte, seine Botschaft war angekommen: Claire schwebt in Lebensgefahr. Lilly drehte einen Bleistift zwischen ihren Fingern, als Cruz den Raum betrat und direkt auf Millers Zimmer zusteuerte.
Kapitel 29
Point Loma, San Diego
Matt hatte früh morgens einen Termin bei Gericht gehabt, den er nicht absagen konnte. Weil Noah die Woche über wegen seines verletzten Knies zuhause bleiben musste, war er dieses eine Mal sogar froh gewesen, Dana im Haus zu haben. Als er die Tür aufschloss, war es auffällig ruhig. Matt stellte seine Aktentasche auf der Kommode am Eingang ab. „Dana. Noah, ich bin zuhause!“ Nichts. Langsam schlenderte er ins Wohnzimmer, hängte sein Jackett über einen Stuhl und zog die schon gelockerte Krawatte über den Kopf. Er hasste es, wenn er Anzug tragen musste. Sein Blick schweifte in die Küche und er erschrak. Es sah aus, als hätte ein Massaker stattgefunden, alles war rot. Sein Herz setzte aus. „Noah!“, schrie er, aber es blieb still. Er näherte sich langsam der Küche und sah nur ein Messer mit glänzend roter Flüssigkeit auf der Ablage. Als er unmittelbar davor stand, registrierte er, dass es sich um Granatäpfel handelte. Etwa 15 Stück, die zerquetscht auf seiner Küchenablage verteilt waren. Er ließ erleichtert die Schultern hängen, bis ein entferntes Lachen aus dem Garten zu ihm drang. Sein Körper spannte sich wieder an. „Dana!“, schrie er und eilte zur Terrassentür.
Matt bekam den Mund nicht mehr zu. Dana hatte zusammen mit Noah und Kelly ein riesiges Loch im Garten gegraben. Nun hockten sein Sohn und seine Schwiegermutter davor und pflanzten lachend einen Mini-Baum ein. Kelly beobachtete alles im Stehen und gab Anweisungen. Drei weitere Bäume standen daneben und warteten auf ihren Einsatz. „Was tut ihr da?“ Matts Stimme bebte.
Die drei drehten sich um und Noah sprang auf und rannte zu seinem Vater. „Daddy“, seine Kleidung war voll mit Erde und den Resten des Granatapfel-Massakers. „Grandma pflanzt uns einen Zitronenbaum.“ Er strahlte übers ganze Gesicht.
Auch Dana und Kelly kamen zu ihnen. „Matt, du hast eine fleißige Schwiegermama.“ Lächelnd schlug Kelly ihm auf die Schulter. „Bis später, Dana. Ich freu mich schon auf die Yoga-Session mit dir. Na los, Noah. Wir gehen uns mal oben waschen.“ Kelly und der Junge verließen den Garten.
„Yoga-Session?!“ Matt riss den Kopf herum.
„Ja, mein Lieber. Yoga könnte dir auch nicht schaden. Du wirkst ziemlich unausgeglichen.“ Dana blickte ihn ernst an.
Matts Augen hafteten wieder auf dem Riesenloch in seinem Garten. Seine Schwiegermutter stellte sich zu ihm, auch ihr Shirt mit
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