Gnadenlos (Sara Cooper)
Jemand hockte über ihr und schüttelte sie heftig. Es war Tom. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, sie spürte seinen Atem, als er sie ansprach. „Sara, wach auf. Schnell.“
„Ich bin wach“, fauchte sie ihn an. „Was soll das?“ Sie kniff die Augen zusammen und spürte jeden Muskel.
„Los, komm. Wir müssen zurück nach Bangkok!“
„Was? Wie bitte? Warum um alles in der Welt?“
Er packte hektisch ihre Sachen zusammen. „Ich weiß, wo Mia ist.“ Seine Stimme klang fest, aber nicht freudig.
Sara stand so schnell auf, dass sie Sterne sah.
Tom blickte sie an. „Mia ist verhaftet worden. Sie wurde mit einer beachtlichen Menge Drogen erwischt und sitzt im Gefängnis.“ Er stockte, bevor er weiter sprach. „In Thailand steht die Todesstrafe darauf!“ Sein harscher Ton ließ keinen Raum für Fragen.
Kapitel 27
Downtown, San Diego
Der gestrige Tag hatte nichts erbracht und Cruz hatte kaum geschlafen. Eigentlich hatte er abends für sich und seinen Freund Dave Rinderhüftsteaks zubereiten wollen, aber er war erst weit nach Mitternacht zuhause gewesen. Das gemeinsame Essen hatte eine Entschädigung dafür werden sollen, dass Cruz in den letzten Monaten oft so lange gearbeitet hatte. Seit seiner Beförderung zum Teamleiter blieb wenig Zeit für sein Privatleben, aber Dave brachte stets Verständnis auf. Cruz hatte sich nicht um die Stelle gerissen, fühlte sich jedoch geehrt, als Sara ihn als Nachfolger vorschlug. Jetzt wollte er seinen Job auch gut machen – und es insbesondere Shawn O’Grady zeigen, der ihm das Leben im Büro schwer machte. O’Grady wollte den Job und Cruz wäre nicht böse gewesen, wenn er ihn bekommen hätte. Er selbst war einfach nicht der Typ, der ein Team dirigiert. Er war immer sehr zufrieden, wenn er gesagt bekam, was er tun sollte. Aber das behielt er besser für sich.
Schon kurz nach Sonnenaufgang war er im Büro gewesen. Er war unruhig und hatte das Gefühl, etwas zu übersehen. Nun wartete er vor der Sporthalle der Highschool, er wollte Todd Haim einen Besuch abstatten. Mias Ex-Freund spielte im Basketball-Team. Cruz erhoffte sich von dieser Befragung nicht allzu viel, Mia hatte sich schon vor über sechs Monaten von dem Jungen getrennt und aktenkundig war er auch nicht. Cruz hatte sich einen Kaffee im Supermarkt geholt und einen Mann mit zwei plärrenden Kindern beobachtet, die ihm entgegen gekommen waren, als er aus dem kühlen Laden getreten war. Er schmunzelte. In solchen Momenten war er froh, dass er und Dave sich einig darin waren, keine Kinder zu haben. Er lebte seit mittlerweile knapp fünf Jahren mit seinem Freund zusammen und dieser sprach immer öfter vom Heiraten, schleppte Cruz zu Vermählungen von Freunden und gab ihm unterschwellig zu verstehen, wie schön es wäre, sich das Jawort zu geben. Aber Cruz war noch nicht soweit. Er setzte sich in sein Auto und wartete. Während er die Musik im Radio aufdrehte, nippte er an seinem Cappuccino. Er hatte weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen und sein Magen knurrte. Es war ein herrlicher Frühlingstag in San Diego. Nachdem ein morgendlicher Dunstschleier den Weg für die Sonne zunächst unmöglich gemacht hatte, war der Himmel nun blau und makellos. Er setzte seine Sonnenbrille auf, stieg aus und lehnte sich ans Auto. Eine warme Sommerbrise kitzelte die Haare in seinem Nacken. Der Geruch des herannahenden Sommers, die Menschen, die gutgelaunt vorbeigingen – all das bereitete Cruz ein angenehmes Gefühl. Die Luft war mild und er atmete sie tief ein, als die Tür der Sporthalle aufging. Cruz ging ein paar Schritte auf die Halle zu und warf seinen Becher in einen Mülleimer am Straßenrand. Jungen in Sportkleidung strömten aus dem Eingang. Er suchte Todd. Er hatte sein Bild in seinem Handy gespeichert und schaute immer wieder auf den Display. Todd war ein sportlicher junger Mann mit dunklen kurzen Haaren. Das Foto stammte aus dem Jahrbuch und er trug die Mannschaftsjacke seines Basketballteams. Cruz runzelte die Stirn. Von Todd war keine Spur. Schließlich ging er auf eine Gruppe Jugendlicher zu. „Sorry, Jungs. Ich bin auf der Suche nach Todd Haim. Er sollte heute eigentlich trainieren.“ Die Jugendlichen trugen Trainingshosen und Kapuzenpullis, schwere Taschen hingen über ihren Schultern. Sie wechselten fragende Blicke, bis schließlich einer antwortete. „Todd ist schon seit einer Woche nicht mehr beim Training gewesen.“
Das war verwunderlich. „Wie bitte? Und was ist mit
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