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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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der Welt. Sie konnte alles tun. Die Welt gehörte ihr.
    Vielleicht lag es daran, dass sie den Mann erstochen hatte. Oder dass sie sich das Leben nehmen wollte. Oder dass Valentinus’ Liebe in ihrem Herzen wirkte. Vielleicht alles zusammen, vielleicht nichts davon. Was es auch sein mochte – sie war bereit. Bereit, zu sterben und weiterzuziehen. Aufzusteigen.
    Sie bedauerte nur, dass sie in diesem Meer von Menschen so allein war. Zwar waren da wohl die anderen Jünger, und sie konnte auch ihre Nähe spüren, sie hörte, wie sie lachten und vor Freude jubelten, aber dennoch – ohne Valentinus war sie allein.
    Eine Träne lief über ihre Wange, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Zumindest nicht in dieser Welt. Aber er würde auf sie warten, auf der anderen Seite, und sie alle in die Schlacht gegen den falschen Schöpfergott führen. Was sie auch tun musste, um dorthin zu gelangen – sie wollte es tun.
     
    Solothurn Pfyffer von Altishofen sah auf seine Uhr. Es war 5:54 Uhr. Er tastete nach dem Umschlag in seiner Tasche.
    Hundertacht Auserwählte überall auf der Welt hatten wie er einen solchen Umschlag mit identischen Anweisungen bekommen: Bleiben Sie in der Nähe der Zielperson, öffnen Sie den Brief erst, wenn es in New York fünf Minuten vor Mitternacht ist, dann überbringen Sie die Botschaft.
    Endlich war es so weit.
    Er sah zu seinem Kameraden hinüber, dem Hellebardier Alois Mäder. Zwar war Solothurn bei eins fünfundachtzig und neunzig Kilo bestimmt kein zierlicher Mann, doch Mäder war noch größer und auch kräftiger. Die Soldaten standen mit unbewegter Miene auf ihrem Posten.
    Solothurn hielt sich den Magen, runzelte die Stirn und deutete den Korridor entlang. Mäder nickte ihm zu. Während Solothurn zur Toilette ging, baute sich der Hellebardier direkt vor der Tür von Pius XIII. auf.
    Als Solothurn an einem Fenster vorüberkam, sah er kurz in den Himmel über Rom. Er sah dunkles, königliches Blau. Sechseinhalbtausend Kilometer weiter westlich wäre Valentinus jeden Moment bereit, sich an die Welt zu wenden. Solothurn fühlte sich geehrt, dass man ihn auserwählt hatte, eine der Botschaften zu überbringen.
    Er betrat die kleine Toilette, schloss die Tür hinter sich und lehnte seine schwere Hellebarde an die Wand. Mit zitternden Händen nahm er den Umschlag und riss ihn auf. Der Brief war handschriftlich verfasst und an ihn adressiert. Es dauerte keine Minute, ihn zu lesen. Er faltete ihn wieder sorgfältig zusammen und schob ihn in die Tasche zurück. Valentinus sagte ausdrücklich, dass der Brief gefunden werden sollte, falls Solothurn beim Überbringen der Botschaft zu Tode kam.
    Er sah auf die Uhr. 5:55 Uhr. Er musste sich beeilen. Er würde Mäder töten müssen, wenn er in die päpstlichen Gemächer eindringen wollte – und ihm blieben nur noch drei Minuten.

KAPITEL 24
31. DEZEMBER 2007 – 23:55 UHR (5 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Winter griff nach Valentinus’ Hand. Ungeahnte Gefühle, Farben und Klänge durchströmten sie. Sie schloss die Augen und hörte die Sinfonie in ihrem Kopf. Sie spürte keine Kälte mehr, sie hörte auch die Menge nicht. Sie sah nichts mehr von der Welt – alles war weg.
    Und stattdessen: tiefes, reines Gefühl.
    «Unglaublich, nicht?» Valentinus’ zärtliche Stimme holte sie zurück. Bebend atmete sie ein, dann schlug sie die Augen auf. «Die Ersten merken die Wirkung der Droge. Je größer die Gefühle werden, je intensiver ihre Wahrnehmung, desto umfassender wird unsere Gnosis sein.»
    Bei der Erwähnung des Serums zuckte sie erschrocken zusammen. Hinter ihm konnte sie die riesige Digitaluhr sehen. Noch fünf Minuten.
    «Um Mitternacht beginnt das wahre Feuerwerk», sagte er, denn er spürte ihre Betroffenheit. «Deshalb mussten wir früher anfangen.»
    Winter nickte, obwohl sie innerlich mit sich kämpfte. Irgendetwas war faul. Sie wollte das alles nicht. Zumindest hatte sie es bisher nicht gewollt, aber jetzt … in ihrem Kopf ging alles durcheinander.
    «Ich sollte doch … ich bin gekommen, um … um Sie aufzuhalten …»
    Winter war verstört. Das war nicht richtig. Das … oooooh …
    Ihr Begehren war derart überwältigend, dass ihr der Atem stockte. Wie eine Milliarde Orgasmen gleichzeitig. Jeder Zentimeter Haut, jede Nervenzelle vibrierte vor Ekstase.
    Winter wollte etwas sagen, aber sie brachte kein Wort heraus.
    «Vertrau mir! Sag mir alles … oder ich muss dich fortschicken!»
    Abrupt stieß

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