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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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gigantischen Digitaluhr. Innerhalb der nächsten Minute würden seine Anhänger ihre Röhrchen aufdrehen.
    Und das wäre dann endlich der Anfang vom Ende.

KAPITEL 23
31. DEZEMBER 2007 – 23:52 UHR (8 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Ungeduldig starrte Susan Collins auf ihre Armbanduhr Sie zählte die Sekunden.
    23:52:44   23:52:45   23:52:46
    Sie hielt die Luft an und umfasste das kalte Röhrchen. Sie genoss das Gefühl, zu wissen, dass sich die Zeit ihres irdischen Daseins dem Ende zuneigte. Sie fragte sich, wie es wohl auf der anderen Seite sein mochte.
    Susan bebte vor Aufregung. Ihr ganzes Leben hatte auf diesen Augenblick zugesteuert – alle Sorgen und Nöte, Wünsche und Sehnsüchte, Erfolge und Enttäuschungen. Alles nur Teile des Puzzles. Und nachdem sie nun so viel erlebt hatte und wirklich eins war mit den anderen, war sie auch bereit.
    Bereit, diese Welt zu verlassen, mit all ihrem Elend, ihrer Unvollkommenheit. Sie hatte endlich begriffen, dass dieses Jammertal nur eine minderwertige Welt war, die ein minderwertiger Gott erschaffen hatte. Seit sie die Wahrheit kannte, brannte in ihr die Sehnsucht, heimzukehren. Ihren göttlichen Funken zu befreien und eins zu werden mit dem Einzig Wahren Gott. Um aufzugehen in seinem Glanz und seiner Herrlichkeit.
    23:52:55
    Vorsichtig nahm sie die silberne Spritze hervor. Sie spürte die Blicke der Christen um sich herum. Doch Valentinus (so klug, so schön, so vollkommen, so weitblickend) hatte alle Nichteingeweihten getäuscht und zu der fälschlichen Annahme verleitet, die Gnostiker wollten um Mitternacht Selbstmord begehen. Sie würden es auch tun, nur nicht wie erwartet.
    Schließlich brauchte das Gift etwas, bis es Wirkung zeigte. Deshalb nahmen es alle schon um 23:53 Uhr ein. Die Sekunden der Digitalanzeige sprangen von 59 auf 00. Voller Freude schraubte Susan die Kappe ab und stach sich den Autoinjektor in die Halsschlagader. Sie spürte den feinen Stich, dann strömte das Mittel durch ihre Adern. Einer der Christen kam zu ihr gelaufen und riss ihr die leere Spritze aus der Hand.
    «Die können Sie behalten», sagte Susan. Das Serum zeigte bereits Wirkung. «Sie kommen zu spät.»
    Hastig riss der Mann das Walkie-Talkie von seinem Gürtel.
    «Sie nehmen es schon ein! Haltet sie auf! Haltet sie auf!»
    Susan musste lachen. Es war einfach zu komisch. Sie fühlte sich erstaunlich. Stark. Als könnte sie alles tun, was sie wollte. Plötzlich nahm er ihre Hand und zerrte sie mit sich.
    «Kommen Sie, da hinten ist ein Notarztwagen! Ich kann Sie retten!»
    «Ich will nicht gerettet werden!», sagte Susan und glühte förmlich. «Verstehen Sie denn nicht? Ich will hier nicht mehr sein! Ich will das alles hinter mir lassen!»
    «Jetzt kommen Sie schon!»
    Susan starrte ihn an. Valentinus hatte gesagt, dass die Ahnungslosen versuchen würden, sie aufzuhalten. Und er hatte ihnen erklärt, wie sie sie loswerden würden. Sie langte in ihre tiefe Tasche und schloss die Hand um einen hölzernen Griff. Im Gedränge sah der Mann nicht, was Susan tat.
    Als Susan einen Schritt auf ihn zuging, wirkte er erleichtert. Er dachte wohl, er hätte sie überzeugt. Wahrscheinlich glaubte er tatsächlich daran – bis sie ihm das Messer in den Bauch stieß.
    Sie spürte einen leichten Widerstand, als die Klinge seine Daunenjacke durchbohrte, doch das Messer drang weiter in ihn ein, tiefer und tiefer, bis zum Heft. Er sah das warme, dunkle Blut, das über ihre Hand lief. Er blickte sie voller Todesangst an, und sie nahm alles in sich auf, randvoll mit Adrenalin. Wie großartig, dass so etwas kurz vor dem Ende noch geschah. Wenn sie nicht schon vorher ihre Gnosis erlangt hatte, dann sicher jetzt.
    Sie riss das Messer heraus, und der Mann sank auf die Knie, als hätte nur sie allein ihn noch auf den Beinen gehalten. Er presste seine Hände auf die Wunde, doch er blutete zu stark und konnte nichts dagegen tun, dass ihm das Leben zwischen den Fingern zerrann.
    Plötzlich kam eine Christin auf sie zu, eine große Blonde mit Stupsnase. Sie sah den Sterbenden am Boden liegen und stieß einen gellenden Schrei aus. Susan spürte, wie reine Energie durch ihre Seele strömte. Sie schloss die Augen, und ihr war, als würde sie fliegen. Wild trommelten die Schreie der Frau in ihrem Hirn.
    Und wieder kam es über sie – eine Woge der Kraft und des Selbstvertrauens bäumte sich in ihr auf. Noch nie hatte sie sich so gefühlt. Sie wandelte auf Wolken. Sie war die stärkste Frau

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