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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Diese Vorräte waren für sie bestimmt! Sie hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Dann hatte sie sich also nicht getäuscht. Hylas plante tatsächlich, sie auf der Insel zurückzulassen.
    Zuerst war Pirra verzweifelt, wütend und verletzt, aber es dauerte nicht lange, bis sie eigentlich nur noch wütend war. Ihre Handflächen prickelten, das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie wollte sich auf ihn stürzen, ihn mit den Fäusten bearbeiten, ihn anbrüllen: Du verdammter Lügner!
    »Gib mir bitte was von dem Seil«, sagte er gerade.
    »Hol’s dir doch selbst«, fauchte sie.
    Er blickte überrascht auf.
    »Stimmt was nicht?«
    »Ach, ich weiß auch nicht«, gab sie mit zuckersüßer Stimme zurück. »Vielleicht bin ich kleines bisschen sauer, weil ich nach tagelangem Schuften gerade bemerkt habe, dass du mich die ganze Zeit belogen hast. Du willst mich nicht mitnehmen, sondern hier zurücklassen!«
    Er lief rot an.
    »Stimmt doch, oder?«
    »Ja«, erwiderte er.
    » Ja? Mehr fällt dir nicht dazu ein?«
    »Nein.«
    Sie blinzelte ungläubig. »Hast du denn überhaupt kein Ehrgefühl?«
    Er schnaubte. »Ehrgefühl ist was für Leute mit vollem Bauch.«
    »Und wie wär’s mit ein bisschen Dankbarkeit? Ich habe dir geholfen, Filos zu retten! Ich habe dir geholfen, dieses verdammte Floß zu bauen!«
    Er erhob sich und erwiderte ihren Blick ungerührt. »Es tut mir leid«, sagte er knapp. »Aber ich muss meine Schwester finden, dabei wärst du nur im Weg.«
    »Im Weg?«, schrie sie fassungslos. »Ohne meine Hilfe würdest du …«
    »Hör mal, Pirra, die Fahrt nach Lykonien dauert vielleicht Tage. Ich kann nicht genug für uns beide fangen, und du kannst nicht fischen. Wir würden entweder verhungern, oder ich müsste dich vom Floß werfen, den Haien direkt vor die Nase. Hier sind deine Überlebenschancen viel besser, und du bist in Sicherheit.«
    »Aha, soll ich mich auch noch bei dir bedanken?«
    »Nein. Du sollst nur verstehen, dass es so am besten ist.«
    »Du bist abscheulich!«, schrie sie und wandte sich ab. »Du denkst nur an dich!«
    »Angenommen du kommst mit«, rief er ihr nach, »was willst du überhaupt in Lykonien? Du bist doch von dort geflüchtet. So findest du niemals nach Keftiu zurück. Wo willst du denn dann hin?«
    »Ich hasse dich!«, kreischte sie, packte die Trinkschläuche und rannte in Richtung Quelle davon.

    Vor lauter Wut vergaß sie beinahe ihre Angst vor der Höhle.
    Mit zusammengebissenen Zähnen wand sie sich durch den schmalen Eingang in die Dunkelheit, warf die Trinkschläuche in den Bach und drückte sie tief ins Wasser, wie Kätzchen, die man ertränkt.
    Doch als sie sich mit den schweren Trinkschläuchen wieder an den Aufstieg machte, war ihre Wut verraucht und sie fühlte sich stattdessen völlig mutlos. Natürlich wollte Hylas sie nicht mitnehmen, wozu auch? Sie taugte ja zu nichts. Ihr Geschrei hatte zusätzlich bewiesen, wie unbeherrscht sie war. Sie hatte es nicht verdient, dass er sie mitnahm.
    Hylas hatte auch in einem anderen Punkt recht gehabt: Es gab keinen Ort, wo sie hingehen konnte. Verzweiflung überkam sie. Ihr Schicksal kümmerte niemanden. Einige Kiesel kullerten ihr entgegen und als sie aufsah, kam Hylas die Böschung herunter auf sie zugeschlittert.
    »Was ist denn jetzt?«, fragte sie mürrisch.
    Er packte sie am Handgelenk und riss sie mit sich. »Los, komm schon«, stieß er hervor. »Wo ist diese Höhle?«
    »Was?«
    »Die Höhle, wir müssen uns verstecken! Ich habe Schiffe gesehen!«

F ilos hat mich gewarnt«, keuchte Hylas, während sie rasch den Abhang hinunterkletterten. »Er hat ständig mit der Schwanzflosse aufs Wasser geschlagen.«
    »Wie viele Schiffe sind es denn?«, fragte Pirra.
    »Zwei, ziemlich weit entfernt. Ich kann nicht sagen, ob es Krähen sind. Ist hier die Höhle?« Sie hatten die Affodilien erreicht.
    »Ich gehe zuerst rein«, erklärte Pirra, zwängte sich rückwärts durch die schmale Spalte und fiel auf die Steine. Ihr Herz pochte ängstlich. Sie malte sich aus, wie Schiffe in die Bucht einliefen und Männer an Land sprangen. Ihre Mutter war erbarmungslos und würde bestimmt die gesamte Insel nach ihr absuchen lassen …
    »Fang!« Hylas warf einen Trinkschlauch durch den Eingang und landete dann neben ihr auf dem Boden.
    Er hatte zwei lange Fenchelstengel dabei, die er am Lagerfeuer entzündet hatte, und Pirra staunte nicht zum ersten Mal über so viel kluge Voraussicht. Sie staunte allerdings noch mehr darüber, wie furchtlos er

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