Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
hergehetzt. Als sie uns das letzte Mal erwischt haben, haben sie nicht mich geschlagen, sondern Issi.«
»Wer ist Issi?«
Er warf den Stock beiseite. »Bald ist es dunkel«, sagte er knapp. »Wir müssen den Unterschlupf zum Schlafen herrichten.«
Später brachte Hylas die Krabbenschale hinunter ans Ufer zu Filos.
Er ärgerte sich über sich selbst. Pirra hatte ihn mit ihrem Gerede über den Tempel der Göttin vom eigentlichen Thema abgelenkt und die Krähen nicht einmal erwähnt.
Filos’ Rettung hatte ihn derart in Anspruch genommen, dass er darüber beinahe vergessen hatte, wieso er hier war. Damit war ab sofort Schluss. Er hatte es satt, ständig davonzulaufen und immer nur mit knapper Not zu überleben. Es musste einen Grund dafür geben, warum die Krähen Fremdlinge jagten, und er war fest entschlossen, ihn herauszufinden.
Filos warf die Krabbenschale ein paar Mal in die Luft und verschmähte sie dann. Obwohl er sich von den Strapazen erholt hatte, wirkte er unruhig und bedrückt. Als Hylas ins Wasser watete, legte der Delfin den Kopf schräg und sah ihn traurig an.
Zum ersten Mal fragte sich Hylas, wieso Filos an den Strand gekommen war. »Warum hast du das gemacht?«, fragte er leise. »Warum wolltest du an Land kommen?«
Der Delfin tauchte unter. Das Sternenlicht tanzte auf den Wellen.
Warum ist er allein? , überlegte Hylas. Wo ist sein Schwarm? Sucht er sie? Ist er deswegen gestrandet?
Vielleicht suchte Filos nach seiner kleinen Schwester, genau wie Hylas selbst.
»Er wirkt einsam«, ertönte Pirras Stimme unmittelbar hinter ihm. Sie stand im flachen Wasser am Ufer, eine zierliche Gestalt in der Dämmerung. »Hat er denn keinen Schwarm? Oder eine Familie?«
»Sie sind nicht mehr hier. Ich weiß nicht, warum.«
»Deswegen ist er so traurig. Delfine sind für ein Leben in der Gemeinschaft bestimmt.«
»Was weißt du denn schon von Delfinen?«, fragte er kurz angebunden.
Sie lächelte. »Auf Keftiu weiß jeder über Delfine Bescheid, sie sind die Wächter des Meeres. Wer einen Delfin tötet, hat sein Leben verwirkt.«
»Das weiß ich auch«, log er.
Pirra watete tiefer ins Wasser und streckte die Hand aus. Filos glitt heran und ließ sich streicheln. »Es heißt, dass Delfine immer in Bewegung sind«, sagte sie. »Und dass sie alles hören, was im Meer vor sich geht. Außerdem sehen sie im Dunkeln und können auch durch Dinge hindurch sehen. Beispielsweise sehen Delfine eine Flunder, die sich im Sand versteckt, oder ein ungeborenes Delfinjunges im Bauch seiner Mutter. Oder den Herzschlag eines Menschen.« Sie schwieg. »Ich habe noch keinen getroffen, der mit Delfinen sprechen kann.«
»Das kann ich auch nicht«, gestand Hylas. »Jedenfalls nicht in ihrer eigenen Sprache. Manchmal ahne ich, was in Filos vorgeht, und wenn er mich ansieht, habe ich das Gefühl, er … er könnte in meinen Geist blicken …« Etwas verlegen brach er ab.
Filos drehte eine Runde und spritzte Pirra mit der Flosse Wasser ins Gesicht. Sie lachte.
Zu seinem eigenen Erstaunen erzählte Hylas ihr von seinen Abenteuern auf See, dem Hai und den Delfinen, die ihn gerettet hatten. Es tat ihm gut, darüber zu reden. Als er das blaue Feuer erwähnte, schnappte sie aufgeregt nach Luft.
»Du hast das blaue Feuer gesehen?«
»Warum? Was hat es zu bedeuten?«
Sie zögerte. »Manchmal befiehlt die Göttin die Delfine zu sich. Dann schwimmen sie so nahe an Sie heran, dass sie in Ihren brennenden blauen Schatten geraten. Ihren Schatten, Hylas, verstehst du? Das blaue Feuer, das du gesehen hast.«
Er watete an den Strand zurück, die nächtliche Brise strich kühl über seine Haut. Er dachte an seine erste Begegnung mit Filos, als der Delfin in einer schimmernden blauen Wassersäule aufgestiegen war. Es verschlug ihm den Atem und bereitete ihm zugleich Angst. Er wollte nicht, dass Filos etwas Heiliges war. Der Delfin sollte sein Freund sein.
Pirra war ebenfalls an Land gegangen und wrang den nassen Saum ihrer Tunika aus. »Nur wenige haben das blaue Feuer gesehen«, stellte sie mit ruhiger Stimme fest. »Ich frage mich, warum es ausgerechnet dir passiert ist.«
Hylas dachte an den sterbenden Keftiu und dessen Locke, die auf dem Wasser trieb. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er in etwas hineingeraten war, das größer war, als er ahnte. Warum hatte es ihn hierher verschlagen, auf die Insel der Göttin? Was lag auf der anderen Seite dieser Felsen, die den Weg ins Inselinnere versperrten?
»Hylas, wer bist du?«, fragte
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