Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Seite des Raums. Sie ist mir bisher nicht aufgefallen, aber ich merke sie mir, um später rauszubekommen, was sich dahinter verbirgt.
»Die Fähigkeit zur Regeneration verringert sich beim mehrfachen Einfrieren enorm, vor allem, wenn die Reanimation nicht fachgerecht durchgeführt wurde. Wenn wir sie noch einmal in eine Kühlkammer stecken, wacht sie vielleicht nie mehr auf.«
»Ich will Daddy«, wimmert sie, und obwohl sie eigentlich schon eine Frau ist, kommt sie mir jetzt wie ein Kind vor.
»Zeit zum Schlafen«, sagt Doc. Er holt ein Medipflaster aus der Tasche und reißt die Verpackung ab.
Amy reißt ihre Augen auf. »NEIN!«, schreit sie, doch wieder bricht ihre Stimme.
Als Doc sich ihr nähert, hebt sie so ungeschickt den Arm hoch, dass sie ihn am Ellbogen trifft. Das Medipflaster fällt auf den Boden. Doc hebt es auf und wirft es in den Müll. Dann öffnet er eine Schublade und holt ein neues heraus. »Damit wird es dir gleich besser gehen«, versichert er dem Mädchen und öffnet die Verpackung.
»Ich will das nicht.« Ihre Augen sind stecknadelkopfgroße schwarze Pupillen mit hellgrüner Umrandung.
»Halt sie fest«, befiehlt mir Doc. Aber ich stehe nur da und sehe sie an. Der Älteste stößt mich zur Seite und drückt mit seinem ganzen Gewicht auf ihre Schultern.
»Ich will das nicht!«, kreischt das Mädchen, aber Doc hat ihr das Pflaster schon auf den Arm geklebt, und die winzigen Nadeln durchbohren ihre Haut und befördern das Medikament in ihren Körper.
»Will nicht wieder schlafen.« Ihre Worte klingen verschwommen und sind nur schwer zu verstehen. »Will … nicht … schlafen«, murmelt sie langsam. »Nicht … mehr … schlafen.« Dann rollt sie mit den Augen, ihr Kopf fällt zur Seite, und sie verliert das Bewusstsein.
Ich starre sie an, und obwohl sich ihre Brust in einem stetigen Rhythmus hebt und senkt, sieht sie jetzt toter aus als im Eis.
Ich frage mich, ob sie wohl träumt.
15
Amy
Ich bin wach. Aber ich strecke mich nicht oder gähne oder öffne die Augen. Ich bin nicht daran gewöhnt, diese Dinge zu tun. Jedenfalls nicht mehr. Also liege ich nur da und werde mir meiner Sinne bewusst. Ich rieche Schimmel. Ich höre jemanden leise atmen – wie im Schlaf. Ich spüre Wärme, und erst da wird mir wieder bewusst, dass ich nicht mehr eingefroren bin.
Wie viel von den Träumen und Albträumen war echt?
Schon jetzt verblassen die Träume aus meiner Gefrierzeit und werden zu undeutlichen Erinnerungen. Habe ich wirklich drei Jahrhunderte lang geträumt oder nur in den paar Minuten zwischen dem Auftauen und dem endgültigen Erwachen? Es fühlt sich nach Jahrhunderten an, denn in meinem Kopf stapeln sich die Erinnerungen an die Träume – aber auch das ist bei Träumen so. Die Zeit ist nicht echt. Als mir die Mandeln herausgenommen wurden, hatte ich Dutzende von Träumen, obwohl die Narkose nur etwa eine Stunde gedauert hat. Außerdem kann ich im gefrorenen Zustand nicht geträumt haben – das ist unmöglich, denn Träume können nicht durch gefrorene Synapsen huschen.
Aber was ist mit diesen Geschichten von Patienten, die bei Eingriffen bei Bewusstsein waren, obwohl sie eigentlich narkotisiert sein sollten?
Nein. Vergiss das. Das ist nicht dasselbe. Ich kann nur in dem kurzen Zeitraum geträumt haben, als mein Körper schon auftaute, meine Seele aber noch nicht. Wenn ich über die Zeit nachdenke und daran, wie viel davon vergangen ist, und dass ich mitbekommen habe, wie viel vergangen ist, dann werde ich ganz verrückt.
Ich zwinge mich, die Augen aufzumachen. Die Träume – ob sie nun Jahrhunderte alt sind oder nicht – können mich auf jeden Fall nicht quälen, wenn ich wach bin.
Ich genieße das Gefühl, die Augen zu öffnen.
Und dann strecke ich mich. Meine Muskeln brennen. Ich spüre, wie sie sich anspannen, in meinem unteren Rücken, an meinen Waden und auch an meinen Ellbogen.
Die Decke rutscht von meinen Beinen, als ich mich aufsetze. Ich bin von den Oberschenkeln an nackt und darüber trage ich ein blaugrünes Krankenhausnachthemd, eins von denen, die hinten offen sind.
Neben meinem Bett sitzt ein Junge. Er atmet auf diese gleichmäßige Weise, die fast wie leises Schnarchen klingt. Ich ziehe die Decke bis zu meinen Schultern hoch. Er ist in seinem Sessel eingeschlafen, und so, wie er dort sitzt, sieht es ziemlich unbequem aus. Er muss mich beobachtet haben. Ich hasse die Vorstellung, dass er hier war, wach und bei vollem Bewusstsein, während ich
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