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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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sicher um mich geschart haben. Es sind ungefähr ein Dutzend. Dann huscht mein Blick zu den Containern. Auf den Straßen dieser merkwürdigen Stadt sind ein paar Hundert Leute unterwegs. Sie sind eindeutig in der Überzahl.
    Sie sind alle etwas älter als ich; das muss die Generation der Zwanzigjährigen sein. Sie haben dunkle Haut, dunkle Augen, dunkles Haar. Und alle starren mich an. Unwillkürlich hebe ich die Hand zu meinem verschwitzten roten Zopf, der im Licht der unechten Sonne leuchtet. Meine blasse Haut sieht noch weißer aus als sonst. Ich unterscheide mich in jeder Hinsicht von ihnen. Ich bin kleiner, jünger, blasser, heller. Ich komme aus einer anderen Welt.
    Ich spüre, dass auch diese Leute misstrauisch sind – und es sind so viele. Ich will etwas sagen. Aber keiner von ihnen lächelt auch nur ansatzweise. Sie starren mich nur schweigend an, was total gruselig ist.
    Mein Herz rast, denn ich habe plötzlich furchtbare Angst.
    »Hallo«, sage ich mit zittriger Stimme.
    »Was bist du?«, fragt einer von ihnen.
    »Ich … ich bin Amy. Ich lebe jetzt hier. Also, nicht hier, sondern im Krankenhaus.« Ich zeige auf das weit entfernte weiße Gebäude hinter mir, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, ihnen den Rücken zuzudrehen.
    »Was stimmt nicht mit dir?«, fragt der Mann. Ein paar der anderen nicken und ermutigen ihn damit, das zu fragen, was sie alle denken.
    Ich habe eine Gänsehaut unter meinem kalten Schweiß. Ich starre die Leute an. Sie starren zurück. Ich habe mich noch nie so einsam gefühlt wie jetzt. Ich beiße mir auf die Lippe. Diese Leute sind nicht wie Junior.
    »Was ist hier los?«, fragt eine energische Frauenstimme. Sie mustert die Menge, bis ihr Blick an mir hängen bleibt. Sie ist älter als alle anderen hier, sogar älter als der Doktor.
    Sie schwenkt beim Gehen ihren Korb, der voll mit Brokkoli ist, so groß wie Melonen.
    Die Frau bleibt ein paar Schritte vor mir stehen und sieht die Menge finster an. Dann betrachtet sie mich von oben bis unten und schaut zu dem Kerl, der mit mir gesprochen hat. »Also gut«, sagt sie mit weicher Stimme und zieht die Silben dabei etwas in die Länge. »Hier gibt’s nichts zu gaffen. Los, geht zurück an eure Arbeit.«
    Sie protestieren nicht. Sie widersprechen nicht. Sie akzeptieren, was sie gesagt hat, und gehen. Sie reden dabei nicht einmal miteinander. Sie drehen sich einfach um und gehen ihrer Wege.
    »Nun«, sagt die Frau zu mir. »Du lebst im Krankenhaus, habe ich das richtig gehört?«
    Ich nicke. »Ja, ich meine … ich …« Ich bringe keinen zusammenhängenden Satz zustande. Diese Welt ist total verrückt. Erst wollte mich ein Mann mit einer Hacke angreifen. Und jetzt vertreibt eine alte Dame ganz allein einen Haufen Leute, die aussahen, als könnten sie jeden Moment ihre Forken schnappen und sich in einen Lynchmob verwandeln.
    Die Frau hebt die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Ich bin Steela«, sagt sie. »Ich weiß nicht, wer du bist oder woher du kommst. Aber für mich sieht es so aus, als hätte der Älteste seine Finger im Spiel. Die meisten der verrückten Dinge, die hier passieren, haben ihren Ursprung auf dem Regentendeck.«
    Kann es sein, dass sie den Ältesten nicht mag?
    »Ich will damit jedenfalls nichts zu tun haben. Ich habe genug von den Experimenten des Ältesten mitgekriegt, als ich auf der Station gelebt habe. Ich war dort drei Jahrzehnte lang die Gärtnerin.« Es klingt tatsächlich so etwas wie Stolz in Steelas Stimme. Sie zögert und betrachtet mich. »Du siehst nicht dumm aus.«
    »W… wie bitte?«
    »Du siehst komisch aus. Aber im Krankenhaus müsstest du leben können. Auf der Station ist man an komische Leute gewöhnt. Aber sei hier draußen vorsichtig. Die meisten Versorger wissen nicht, wie sie mit ungewöhnlichen Dingen umgehen sollen.«
    »Aber Sie haben denen doch gesagt, dass sie weggehen sollen, und das haben sie getan.«
    Steela nimmt ihren Korb Brokkoli unter den anderen Arm. »Was daran liegt«, sagt sie, »dass ich eine von ihnen bin. Und du nicht.«
    »Und?«
    Steela sieht den Leuten hinterher, die mich bedrängt haben. »Du musst das verstehen. Die Versorger sind einfache Leute. Wenn du ihr Leben komplizierst, beseitigen sie dich, nur um das Problem zu lösen. Was glaubst du, wieso hier alle Leute mit einem Hauch von Kreativität in dem Bau am anderen Ende des Schiffs zusammengepfercht werden?«
    Mein erster Impuls ist es, ihr zu widersprechen, aber dann muss ich an den Mann auf dem Feld

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