Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
denken. An die Art, wie er seine Hacke umklammert hat und wie die Klinge auf mich gerichtet war.
»Am besten gehst du dahin zurück, wo du hergekommen bist«, sagt Steela, und ohne sich noch einmal zu mir umzusehen, setzt sie ihren Weg in die Stadt fort. Sie hat einen flotten Schritt und überholt schnell den Mann, der mich angesprochen hat. Er dreht sich um, als sie vorbeigeht, und sein Blick trifft meinen.
Dann kommt er wieder auf mich zu.
Ich weiche drei Schritte zurück, stolpere beinahe rückwärts, wirble herum und rase schneller davon, als ich jemals zuvor gerannt bin. Diesmal achte ich nicht auf mein Tempo, meine Atmung, meine Schritte. Ich renne, als wäre ein Monster hinter mir her; ich renne, als wären sie alle hinter mir her. Ich kann gar nicht schnell genug rennen. Ich hetze durch das hohe Gras, und die Halme ritzen meine Haut, als würde ich mich an Papierkanten schneiden.
Ich renne und renne und renne.
Vorbei am Krankenhaus, durch den Garten und an einem Teich entlang.
Bis zur kalten Metallwand.
Dort bleibe ich stehen und schnappe nach Luft. Mein Herz hämmert in meinen Ohren. Ich strecke eine Hand aus und berühre die Wand. Meine Finger ballen sich zur Faust.
Und da wird mir die wichtigste Tatsache bewusst, was das Leben auf einem Raumschiff betrifft.
Man kann nirgendwo hinrennen.
22
Junior
Die Luke knallt zu. Hinter mir reden Doc und der Älteste hektisch aufeinander ein.
»Glauben Sie, es war …?«
»Das ist unmöglich.«
»Weiß er davon?«
»Natürlich nicht.«
»Haben Sie …?«
»Natürlich nicht.«
Ich kann an nichts anderes denken als an die Sterne.
Als wäre ein Teil meiner Seele verloren und leer gewesen und ist jetzt erfüllt vom Licht der Millionen Sterne.
Sie sind alles, wovon ich immer geträumt habe; nichts, was ich je erwartet hätte.
Wie habe ich die Lampen im Großen Raum nur für Sterne halten können?
Ich werde nie wieder derselbe sein.
Ich habe Sterne gesehen.
Echte Sterne.
23
Amy
Ich presse mein Gesicht gegen die Wand und atme den Staub ein, der sich auf den Nieten und Kanten abgelagert hat. Meine Augen brennen, und alles ist so verschwommen, dass ich nur noch das Grau der Metallwand sehe.
Ich. Kann. Das. Nicht. Es geht nicht. Es ist zu viel. Dieses … Leben … ich halte das nicht aus. Ich habe alles aufgegeben und was ist mir geblieben? Nur diese Metallwand.
Ich rutsche an der gebogenen Wand herunter. Die Feuchtigkeit der Erde saugt sich in meine Hose. Meine Fäuste krallen sich in die Erde. Es fühlt sich zumindest an wie Erde.
Auch wenn es keine ist.
»Ist alles in Ordnung?«
Auf dem Pfad, der das Krankenhaus mit dem benachbarten Gebäude verbindet, steht ein Mann.
Ich halte mir die dreckigen Hände vor die Augen und versuche, mir die Tränen vom Gesicht zu wischen, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich total verschmiert und verheult aussehe.
Ich drücke mich an der Wand hoch. »Sie halten mich bestimmt für verrückt«, stammele ich und zwinge mich zu einem halbherzigen Lachen.
»Ich glaube, du bist sehr aufgewühlt«, sagt der Mann und eilt herbei, um mir beim Aufstehen zu helfen, »aber nicht verrückt. Was bedrückt dich denn?«
Ich schnaube. »Alles.«
»Es ist sicher nicht alles schrecklich.«
»Oh doch.«
Der Mann steht jetzt vor mir. Der Schlamm, den ich auf seinen Ärmel geschmiert habe, scheint ihn nicht zu stören.
»Ich bin übrigens Amy.«
»Orion.«
»Erfreut, Sie kennenzulernen.« Erst als ich es ausspreche, merke ich, dass es wirklich so ist. Er ist der erste Mensch auf diesem Schiff, der mir keine Angst macht, mich nicht umzubringen droht oder beides. Er ist älter, fast so alt wie mein Vater, und obwohl sich dieser Gedanke anfühlt wie ein Splitter im Herzen, ist er doch auch ein wenig tröstlich.
Orion steuert mich auf das gemauerte Nachbargebäude zu, fort vom Krankenhaus. »Wir müssen dich erst mal sauber machen, bevor du zurückgehen kannst. Was wolltest du eigentlich an der Wand?«
»Nach einem Ausweg aus diesem Schiff suchen«, murmele ich.
Orion lacht, ein ehrliches Lachen, das mich ebenfalls schmunzeln lässt. Seine Augen leuchten auf, was mich an Junior erinnert. Nicht so sehr wegen seines Aussehens – hier sehen alle so aus, als wären sie miteinander verwandt. Nein, es ist die Freundlichkeit in seinen Augen, die mich an Junior erinnert.
An den Eingangsstufen des gemauerten Gebäudes zögere ich kurz. ARCHIV steht in großen weißen Buchstaben über der Tür. Neben der großen Doppeltür
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