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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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werden?«, frage ich noch einmal.
    Der Älteste drückt auf den Knopf am Tastenfeld, den dicken roten, der nicht beschriftet ist.
    Durch das Bullauge sehe ich, wie die Luke auf der gegenüberliegenden Seite aufgeht, und dann wird Mr William Robertson, Nummer 100, zu den Sternen hinausgesaugt. Und ich sehe sie – die Sterne – echte Sterne, Millionen von kleinen Lichtpunkten, wie Glitzerpartikel, die ein Kind in die Luft geworfen hat. Jetzt werde ich nie wieder auf Lampen hereinfallen.
    Diese Sterne, die echten Sterne, sind das Schönste, was ich jemals gesehen habe. Sie lassen mich daran glauben, dass es noch eine Welt außerhalb dieses Schiffs gibt.
    Und einen Moment lang beneide ich Mr William Robertson, Nummer 100, der in einem Meer aus Sternen dahintreibt.

21
    Amy
    Die Wände meines Zimmers scheinen immer näher zu rücken. Ich habe angefangen, hin und her zu gehen, vor und zurück, aber dieser Raum ist einfach zu klein. Das Fenster lässt sich nicht öffnen. Ohne darüber nachzudenken, beginne ich, meine Wadenmuskeln zu strecken. Mein Körper hat mir die Entscheidung abgenommen. Ich muss rennen.
    Es war kein Scherz, als ich dem Doktor erzählt habe, dass ich gern laufe. Im ersten Oberstufenjahr habe ich mit dem Geländelauf angefangen, aber mein eigentliches Ziel war es, Marathon zu laufen. Jason hat mich oft ausgelacht – er hat nie verstanden, wieso ich laufen wollte, wo es doch Videospiele und Fernsehen gab. Der einzige Sport, den er betrieben hat, waren Ballerspiele.
    Ich lächle.
    Ich will nicht an Jason denken.
    Ich muss rennen.
    Die Sachen, die ich anhabe, sind zum Laufen total ungeeignet. Eine weite Hose und eine ebenso weite Tunika und dazu leichte Mokassins. Wieder muss ich lächeln. Zumindest meine Mom wäre glücklich darüber. Ich bin immer in diesen superkurzen engen Laufshorts und einem bauchfreien Tanktop gerannt und das hat sie wahnsinnig gemacht. Tatsächlich habe ich die Sachen nur getragen, weil ich in dem Outfit am besten laufen konnte. Wir haben uns deswegen einmal furchtbar gestritten – so ein richtig schlimmer Streit mit gegenseitigem Anschreien und allem. Es wurde so heftig, dass Dad eingreifen musste und gesagt hat, dass ich seinetwegen nackt laufen könnte, wenn wir nur aufhörten zu schreien. Das war eine so verrückte Bemerkung, dass wir alle lachen mussten und nicht wieder aufhören konnten.
    Es tut weh, jetzt daran zu denken.
    Ich habe zum Laufen immer ein breites Haarband getragen und Ohrstöpsel mit meiner Lieblingsmusik. Aber in diesem Schrank liegen nur noch mehr handgefertigte Kleidungsstücke. Die Mokassins sind zwar keine 200-Dollar-Laufschuhe, aber wenigstens sind sie bequem. Sie werden ihren Zweck schon erfüllen. Ich flechte meine Haare und binde den Zopf mit einem Faden zusammen, den ich aus einer der Hosen reiße.
    Nachdem ich ein paarmal falsch abgebogen bin, finde ich einen großen Raum mit Wänden aus Glas und einer schweren gläsernen Doppeltür. Es scheint eine Art Gemeinschaftsraum zu sein, denn er ist mit ungleichmäßig verteilten Tischen und Stühlen eingerichtet. Es ist nur ein Mensch im Raum, ein großer Mann mit Armmuskeln, die so dick sind wie mein Kopf. Sein Blick verschlingt mich förmlich. Ich erwidere sein Starren, bis er sich zum Fenster dreht. Ich kann erst wieder richtig atmen, als die Fahrstuhltüren hinter mir zugleiten.
    Die Art, wie der große Kerl mich angesehen hat, lässt mich wieder daran denken, dass der Doktor mich davor gewarnt hat, das Krankenhaus zu verlassen.
    Nein. Ich werde mich nicht behandeln lassen wie eine Gefangene.
    Mit dem Fahrstuhl kann man in vier Stockwerke fahren. Ich bemühe mich, mir zu merken, wo mein Zimmer ist. Ich will mich auf keinen Fall verlaufen und womöglich jemanden fragen müssen.
    Die Fahrstuhltüren öffnen sich in der Lobby, wo eine sehr kräftige Krankenschwester am Empfang sitzt und Informationen in einen von den dünnen Computern tippt. Meine Muskeln sind angespannt. Ich renne schon los, bevor ich an der Tür bin. Meine Mokassins patschen auf den kalten Fliesenboden.
    Die Luft trifft mich wie eine Mauer und ich bleibe ein paar Meter hinter dem Ausgang stehen. Sie riecht abgestanden und fühlt sich in der Nase kühl an, genau wie die Luft aus der Klimaanlage des Krankenhauses. Diese Luft ist seit Jahrhunderten benutzt und wiederverwendet worden.
    Ich schaue mich um. Vom Krankenhaus geht es in einen Blumengarten. Ich trete auf den Rasen und jogge ein bisschen auf der Stelle, um mich aufzuwärmen.

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